„Du Papa, warum kommen wir überhaupt auf die Welt, wenn wir doch wieder sterben müssen?“ So wurde Albert Biesinger damals von seinem 13-jährigen Sohn gefragt, nachdem dessen Opa gestorben war. Die Sinn-Frage hat den emeritierten Professor für Religionspädagogik an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen rund 40 Jahre lang umgetrieben, erzählt er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bis er entschied, diese Frage für sich selbst zu klären und seine Antworten als Buch im Patmos-Verlag zu veröffentlichen.
„Je mehr ich mich mit der Frage nicht nur theoretisch beschäftigte, desto mehr Situationen fielen mir ein, wo ich merkte, dass es doch gut war, dass ich auf dieser Welt war“, sagt der 75-Jährige. Zum Beispiel, weil er dadurch seine Frau kennenlernte, „die erste und einzige große Liebe meines Lebens“. Biesinger berichtet davon, dass er „Gott wie eine Energiewand“ spürte, als seine krebskranke Tochter im Koma lag und er ihn um Hilfe anflehte und dann erleben durfte, wie sie zaghaft ihre Augen öffnete, als er christliche Taizé-Lieder sang.
Vielleicht, so überlegt er, kam er auf die Welt, um mit Menschen Leid zu teilen, zum Beispiel als er als Notfallseelsorger nach dem Winnender Amoklauf lange mit den Schülern sprach und abends selbst deshalb in Tränen ausbrach, „weil ich ja nicht weinen konnte als die Schüler dabei waren.“
Oder er kam auf die Welt, um in einem Armenviertel in Peru Wasser zu tragen, damit Zement für ein Gesundheitszentrum angerührt werden kann – und um mit seiner Frau regelmäßig zum „Friedenskreuz“ an seinem Heimatort im badischen Bühl (Landkreis Rastatt) zu gehen, um kurz innezuhalten und für mehr Frieden in der Welt zu beten.
Vielleicht auch, um „Gott entgegen zu zweifeln“, wie er es nennt. „Immer wieder habe ich gezweifelt, ob Gott, so wie ich ihn mir vorstelle, überhaupt ist.“ Und immer wieder sei er zum Ergebnis gekommen, dass er sich zu fixe Bilder von Gott mache, die überhaupt nicht mit der Realität übereinstimmen.
Die Frage seines Sohnes ist eigentlich die „Preisfrage des Lebens“, ist Biesinger überzeugt. Warum bin ich in dieser Zeit und nicht vor 2.000 Jahren, in Europa und nicht China und von genau diesen Eltern ins Leben geholt worden? Das sei eine der tiefsten Fragen, die sich stellten, wenn man nicht nur an den Zufall, sondern an Gottes Wirken glaubt.