Anfang Dezember. Der Mann steht auf. Es ist noch dunkel, als er zur Arbeit geht. Dunkel wird es auch wieder sein, wenn er nach Hause zurückkehrt. Die Stunden dazwischen: harte Arbeit. Lebensgefährlich. Und ebenfalls in Dunkelheit. Denn der Mann ist Bergmann.
Ihr halbes Leben verbringen Bergleute ohne Tageslicht. Kein Wunder, dass die Sehnsucht nach Licht groß wurde. Irgendwann fingen sie an, in den besonders dunklen Tagen des Jahres die Grubenlampen, die ihnen unten in der Erde leuchteten, nach der Arbeit an ein Gestell zu hängen und ins heimische Fenster zu stellen. Jeden Abend eine Lampe: Dank für die Bewahrung am zurückliegenden Tag. Bitte für einen guten neuen Tag. Ein Zeichen der Hoffnung, ein Licht in der Dunkelheit.
Der Schwibbogen war geboren. Und er wurde bekannt über die Bergwerksregionen hinaus. Jetzt, wo die Adventszeit beginnt, sieht man ihn wieder auf vielen Fensterbänken: Bergleute aus Gusseisen, Holz oder auch Kunststoff – und ihr Licht der Hoffnung.
Der Advent ist untrennbar verbunden mit der Symbolik des Lichts. Dahinter steckt ein Ur-Empfinden der Menschen: das Verlangen nach Wärme in der Kälte. Nach sehen können in der Dunkelheit. Wegweisung und Orientierung. Und nicht zuletzt nach Schutz vor dem, was da in der Dunkelheit lauern könnte. Die Bräuche und Traditionen der Adventszeit haben dieses Grundbedürfnis in Formen gefasst: Kerzen, Lichterkränze, Leuchtgirlanden.
Die Frage ist: Reicht so ein bisschen Licht-Symbolik aus, um den Menschen aufzurichten? Angesichts der tatsächlichen Dunkelheit da draußen? Und manchmal auch in uns selbst?
Die Hagener Grafikerin Martina Döbler hat versucht, diese Frage in das Titelbild dieser UK zu fassen: ein kleines Menschenkind, umringt von Dunkelheit und allen möglichen Schrecken der Nacht – echten. Und manchmal vielleicht auch eingebildeten. Dieses Menschlein hält sich an einem Licht fest, einer Kerze.
Wird das ausreichen? Angesichts der Schatten, die in unserem Leben aufziehen?
Es ist wichtig, Advent ganz zu verstehen. Es geht nicht nur um ein bisschen Licht. Sondern darum, wofür es steht. Am besten sieht man das vielleicht am Adventskranz – oder auch am Adventskalender: Advent ist eine Zeit der Erwartung. Das Eigentliche, das, worauf es ankommt – das kommt erst noch. Jeden Tag ein Türchen mehr, jede Woche eine weitere Kerze – bis das Ziel erreicht ist. Das Ziel heißt: Heiligabend.
Gott kommt in die Welt – das gibt Hoffnung. Und er wird noch einmal wiederkommen. Und dann, erst dann, ist alles gut.
Dieses Wissen um das gute Ende gibt die Kraft und den Mut, auch in der Dunkelheit nicht zu verzagen.
Der Schwibbogen hält die menschliche Erfahrung fest: Wir kommen aus der Dunkelheit, und wir gehen in die Dunkelheit; das Leben ist bedroht und in Gefahr. Aber er hält auch die Hoffnung fest und die Gewissheit: Das Licht kommt wieder. Es wartet auf uns.