Wandern? Das kann ein Nachmittagsausflug mit der Familie sein, eine mehrwöchige Tour mit dem Rucksack quer durch die Wildnis, oder ein landschaftlich schöner Weg von Hotel zu Hotel, Gepäcktransfer inklusive. Wohin und wie lange, ob allein oder in Gemeinschaft, ist egal.
Entscheidend ist, dass der Weg zu Fuß zurückgelegt wird, die menschliche Schrittgeschwindigkeit gibt das Tempo vor: Durchschnittlich vier Kilometer pro Stunde geht ein Erwachsener zu Fuß und kommt damit eher langsam vom Fleck. In früheren Zeiten war das ein normales Reisetempo; nur wer es sich leisten konnte, legte den Weg zu Pferd oder mit der Kutsche zurück. Reisen galt als mühsam und wurde bis weit ins 18. Jahrhundert der Arbeit zugerechnet.
Zurück zu Langsamkeit und Entschleunigung
Das ist lange vorbei. In Zeiten von langen Anfahrten zur Arbeit, verdichteten Fahrplänen und prall gefüllten Terminkalendern sehen Mediziner und Psychologen in dieser Langsamkeit einen bedeutenden Vorteil. „Entschleunigung“ heißt das Zauberwort, Rückbesinnung auf menschliches Normalmaß und Ausgleich zu meist sitzender Tätigkeit in geschlossenen Räumen. Klaus Erber vom Deutschen Wanderinstitut in Marburg sieht diese Motivation in zahlreichen Umfragen bestätigt. „Die Menschen machen beim Wandern positive Erfahrungen.“ Viele Befragte geben an, sie kämen unterwegs zur Ruhe und zu sich selbst. Und fast alle wollen beim Wandern die Natur erleben.
Allerdings: Zur positiven Erfahrung gehört auch, dass man sein Ziel erreicht. Wer sich einmal im Wald verlaufen hat und stundenlang umher irrt, der verzichtet vorläufig. Von unschätzbarem Wert sind deshalb die Wanderzeichen entlang des Weges. Rund 200 000 Kilometer Wegstrecke quer durch Wald und Flur haben Wandervereine ehrenamtlich im Laufe von Jahrzehnten mit Markierungen versehen. Diese Wanderzeichen müssen regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf ausgebessert werden, auch das geschieht ganz überwiegend ehrenamtlich. Aber auch Wander-Apps auf dem Smartphone sor-gen dafür, dass man ohne unfreiwillige Umwege zum Ziel kommt.
Eine weitere Entwicklung: Die schlichten Rundwege von einst werden nun mit wohlklingenden Namen versehen und zu langen Strecken zusammengefasst. Wer will, kann auf markierten Wegen von der Nordsee bis zum Mittelmeer wandern, denn auch im angrenzenden Ausland hat das Wandern Konjunktur. Der Europäische Fernwanderweg E 1 beginnt am Nordkap, endet in Italien und führt quer durch Deutschland. Dieses Nebeneinander von regiona-len und überregionalen Wegbezeichnungen führt – neben den Jakobswegen – mitunter zu einer Flut an Wanderzeichen. An manchem Baum oder Laternenpfahl findet sich ein halbes Dutzend Kreuze, Rauten und Kreise in unterschiedlichen Farben.
In der Sächsischen Schweiz kann man heute noch den Malerweg gehen. Der führt auf einer Länge von 112 Kilometern vorbei an zahlreichen Felsformationen des Elbsandsteingebirges, die Maler wie Caspar David Friedrich oder Ludwig Richter zu ihren Bildern inspirierten. Naturbegeisterung und das damals schon aufkommende Unbehagen über zunehmende Beschleunigung und Technisierung des Lebens gingen Hand in Hand und führten zu einem Massenphänomen, das bis heute anhält. Die Entwicklung ging dabei von den Wandervögeln mit Klampfe und Lagerfeuer hin zu Hikern in modischer Outdoor-Kleidung, die sich mit Vorliebe auf zertifizierten Premiumwegen bewegen.
Seit einigen Jahren liegt Wandern als Freizeitaktivität wieder zunehmend im Trend. Auch das sieht Klaus Erber durch Umfragen bestätigt. „Die unter 30-Jährigen entdecken das Wandern für sich, und natürlich Familien mit Kindern.“ Wanderten noch vor zehn Jahren vor allem Senioren, liege der Altersdurchschnitt aktuell bei 48 Jahren, also nur wenig über dem Altersdurchschnitt der deutschen Bevölkerung insgesamt.