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Vorkämpferin für die Sichtbarkeit des Weiblichen

Eine junge Frau mit roten Locken inmitten grüner Natur, blaue Blüten liegen wie ein Kranz auf ihren Haaren, einladend schaut sie die Betrachtenden an. „Clematis“ oder „Waldmärchen“ heißt das Bild, das die Malerin Dora Hitz (1853-1924) 1894 als Teil einer Werkgruppe feenhafter rothaariger Mädchen schuf.

Menschen, insbesondere zarte Frauengestalten oder Kinder, umgeben von Blumen, gehören neben Mutter-Kind-Bildern und Porträts der Berliner Gesellschaft zu den beliebtesten Motiven der heute weitgehend unbekannten Malerin. Hitz gehörte zu den Vorkämpferinnen für die Sichtbarkeit von Frauen in der Kunst. Erstmals seit 100 Jahren ist ihr Werk ab Samstag in einer Einzelschau unter dem Titel „Mit dem Alten um das Neue kämpfen“ in der Liebermann-Villa am Wannsee zu sehen. Anlass ist ihr 100. Todestag am 20. November.

„Sie war auf den wichtigsten Ausstellungen der Zeit vertreten, eine gefragte Porträtistin, die allerdings stilistisch nicht leicht einzuordnen ist“, sagt Viktoria Krieger, Sammlungsleiterin der Liebermann-Villa und Kuratorin. Mit 24 Werken – die meisten aus Privatbesitz und zum Teil noch nie öffentlich gezeigt – fragt die Schau nach den Gründen, warum die Künstlerin nach ihrem Tod so schnell in Vergessenheit geriet.

Dora Hitz war eigenständig, unverheiratet und verfolgte unerschrocken ihren Weg in die Moderne. Gemeinsam mit Max Liebermann (1847-1935) war sie 1899 als eine von vier Frauen Gründungsmitglied der Künstlervereinigung „Berliner Secession“. In ihren Arbeiten nutzte sie neue Ansätze, um klassische Motive modern zu interpretieren. Sie selbst bezeichnete sich als „Suchende“, von der männlich geprägten Kunstkritik wurde sie für ihre weiblichen Motive kritisiert. „Malen sei keine Frauenarbeit“, warf ihr der Kollege Liebermann 1892/93 an den Kopf, 1916 urteilte der Kritiker Karl Scheffler, ihre Kunst sei „weiblich im Empfinden, männlich im Handwerk“.

Geboren 1853 in Franken als Tochter eines Zeichenlehrers begann sie mit 16 Jahren eine Ausbildung an einer privaten Malschule in München. Dort wurde sie von Fürstin Elisabeth zu Wied, der späteren Königin von Rumänien, entdeckt. Sie holte 1876 die junge Künstlerin als Hofmalerin nach Bukarest. 1882 ging Dora Hitz für ihre zweite Ausbildung nach Paris, wo sie sich erfolgreich in die französische Kunstszene integrierte. Zehn Jahre später kehrte sie nach Deutschland zurück und ließ sich schließlich in Berlin als Malerin nieder, wo sie bis zu ihrem Tod lebte.

Die Ausstellung konzentriert sich auf die Arbeiten aus der Berliner Zeit der Malerin. Die Bilder schwanken stilistisch zwischen Symbolismus und Impressionismus bis hin zum Expressionismus. Neben den „Frauen in floralen Räumen“ sind es die „Modernen Madonnen“, Mutter-Kind-Motive, mit denen Dora Hitz bekannt wird.1893 malt sie „Soir“, das Bild einer jungen Frau im Abendlicht, die mit ihrem Baby an die Brust gedrückt auf einem Lilienfeld steht. Mit spitzem, leicht verwaschenen Pinsel setzt die Künstlerin kühle neben warme Farbtöne und fängt so die Stimmung ein.

Ein wichtiges Kapitel sind die Porträts, mit denen Dora Hitz in Berlin Erfolg hatte; darunter ihre zeitweilige Lebenspartnerin, die Künstlerin Maria von Brocken, sowie das imposante Porträt Margarete Hauptmanns, der Gattin des Schriftstellers Gerhart Hauptmann (1862-1946), die sie im Abendkleid auf einem Sofa zeigt. Der einzige Mann im „Porträt eines rauchenden Herrn“ (1906/07) konnte jetzt eindeutig identifiziert werden. Es ist Walther Rathenau, der spätere Reichsaußenminister. Mit ihm pflegte Dora Hitz einen regen Kontakt, wie Briefe aus dem Nachlass belegen.

Die Ausstellung belegt die Eigenständigkeit von Dora Hitz als künstlerische Visionärin und erweitert den Kanon der Kunst um 1900 um eine wichtige Position der weiblichen Moderne.