Interaktive Lernplattformen, Smartphone und Computer spielen in der Bildungs- und Wissensvermittlung eine immer stärkere Rolle. Und zwar für alle Altersgruppen. Auch die Evangelische Erwachsenenbildung mit ihren etwa 80 Hauptamtlichen steht angesichts der Digitalisierung vor großen Herausforderungen. Gesine Lübbers sprach mit Antje Rösener (AR), Geschäftsführerin des Evangelischen Erwachsenenbildungswerkes Westfalen und Lippe e.V., und Felix Eichhorn (FE), Studienleiter für kulturelle und politische Bildung.
Die Digitalisierung ist in aller Munde und längst in großen Teilen der Gesellschaft angekommen. Was bedeutet das für die Evangelische Erwachsenenbildung?
AR: Wir setzen uns auf drei Ebenen mit dieser Entwicklung auseinander. Zum einen versuchen wir unsere Verwaltungsarbeiten mithilfe der Digitalisierung zu vereinfachen. Zum anderen beschäftigen wir uns damit, wo und wie digitale Lernformate Sinn machen.
Und dann ist es uns sehr wichtig, diese große gesellschaftliche Veränderung auch aufmerksam, konstruktiv und kritisch zu begleiten. Es ist uns zum Beispiel ein Anliegen, dass bestimmte Gruppen der Gesellschaft durch die Digitalisierung nicht weiter ins Abseits gedrängt werden. Dass nicht Gräben gerissen werden zwischen denen, die mithalten können, und denen, die abgehängt werden.
Wir haben also die nächsten Jahre gut zu tun.
Werden sich die Lernformen sehr verändern?
AR: Das Rad muss nicht komplett neu erfunden werden. Wir werden auch in Zukunft teilnehmerorientiert arbeiten und den Menschen die Möglichkeit geben, ihre Potenziale zum Wohl von Kirche und Gesellschaft zu entwickeln. Aber natürlich ist es für Personen auf dem Land oder auch Berufstätige, die sich weiterbilden wollen, attraktiv, wenn sie dafür nicht mehr stundenlange Wege in Kauf nehmen müssen. So gibt es Seminare, wo sich die Teilnehmenden am Anfang und am Ende an einem Ort treffen und dazwischen lernen sie zum Beispiel jeden Mittwoch von 18 bis 19.30 Uhr in einem gemeinsamen virtuellen Klassenraum.
Was bedeutet das für die Lehrenden, zum Beispiel in der Erwachsenenbildung?
FE: Für uns Hauptamtliche in der Erwachsenenbildung bedeutet das, dass wir uns jetzt selbst verstärkt fortbilden müssen. Wir experimentieren mit neuen Lernformen.
Zum Beispiel gibt es ein Tool, das man in viele Seminare gut einbauen kann: Ich habe eine offene Frage und alle Teilnehmenden geben ihre Antwort unter einem bestimmten Kennwort in ihr Smartphone ein. Auf der Leinwand erscheint dann umgehend ein Bild, das die Antworten darstellt und ordnet. Antworten, die mehrfach genannt werden, sind zum Beispiel fetter markiert als andere. So hat man in Sekunden das Meinungsbild einer Gruppe und kann damit weiterarbeiten.
AR: Das sogenannte analoge Lernen, das gemeinsame Lernen an einem realen Ort, wird nie ganz verschwinden. Dazu ist es einfach zu schön, miteinander in einem Raum zu sitzen, zu diskutieren, zu lachen oder kreativ zu werden. Aber ich kann mir Kombinationen sehr gut vorstellen.
Wir haben zum Beispiel einen Zertifikatskurs zum Thema „Religionen und ihre Spiritualität in Deutschland“. Da besuchen wir unterschiedliche Religionsgemeinschaften. Diese Besuche sind durch kein digitales Tool zu ersetzen. Man muss eine Religion riechen, die Umgebung auf sich wirken lassen, sich die Hände schütteln und gemeinsam Tee trinken. Aber die grundlegenden Informationen über diese Religionen, die können sich die Teilnehmenden auch auf anderem Weg beschaffen: über Filme im Netz oder Texte, die vorab virtuell miteinander diskutiert wurden.
Muss man da technisch nicht ziemlich fit sein? Können das alle?
FE: Oft sind die Ängste im Vorfeld größer, als es nötig wäre. Aber in der Tat, wir lernen hier auch viel Neues.
Vor einigen Wochen haben wir zum Beispiel eine Fortbildung angeboten: „Videos mit dem Smartphone produzieren“. Dabei haben beruflich und privat Interessierte gelernt, wie man relativ unkompliziert und mit überschaubaren Hilfsmitteln ein Video aufnimmt und mit einer „App“ dann die verschiedenen Sequenzen zusammenschneidet.
Solche Videos werden ja gerne auch in sozialen Medien eingesetzt und das ist eben auch für uns in der Erwachsenenbildung ein wichtiger Faktor, um etwa jüngere Leute mal anders als nur mit einem Flyer auf unsere Angebote aufmerksam zu machen.
nn Was ist das Evangelische an der Digitalisierung?
AR: Die Evangelische Erwachsenenbildung greift immer die Themen auf, die die Menschen beschäftigen. Deshalb begleiten wir diese tiefgreifende Veränderung unserer Gesellschaft – manche sagen ja, wir stecken in einer zweiten Industriellen Revolution – mit unseren Veranstaltungen: Wir unterstützen Menschen darin, mit den neuen Techniken zurechtzukommen, damit sie weiter mitmischen können. Damit sie sich nicht abgehängt fühlen. Wir reflektieren die Veränderungen auf dem Hintergrund, dass Gott ein gutes und möglichst gerechtes Leben für alle vorgesehen hat.
Was plant das Evangelische Erwachsenenbildungswerk konkret im kommenden Jahr?
FE: Wir sind noch in den Planungen. Da wird es definitiv verstärkt auch um das Thema Digitales gehen. Dazu gehören Fortbildungen, die vermitteln, wie die Arbeit mit Gruppen auch methodisch mit digitalen Möglichkeiten unterstützt werden kann. Oder auch Seminare, die sich vertiefend mit digitalen Medien beschäftigen, deren Chancen und Risiken aufzeigen. Dazu gehört auch, wie man zum Beispiel mit Hassparolen im Netz und in sozialen Medien umgeht, wie man angemessen Position beziehen kann.
Flankiert wird das Ganze dann immer auch durch Experten, die in Vorträgen und Studientagen Impulse geben.
Aber klar: Bewährtes aus unseren anderen Bereichen wie Pilgern, politische Bildung und berufliche Fortbildungen ist auch wieder dabei.
