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Vor neuen Herausforderungen

Festakt zum 20-jährigen Bestehen der Herforder Beratungsstelle „Nadeschda“ für Opfer von Menschenhandel

Eigentlich sei keine Zeit zum Feiern. Zu vielfältig seien die Aufgaben, zu zahlreich die Klientinnen und ihre Kinder, die sich tagtäglich „Nadeschda“ anvertrauen. „Seit zwanzig Jahren bedeutet die Arbeit der Mitarbeiterinnen neue Hoffnung für von Menschenhandel betroffene Mädchen und Frauen. Gemeinsam mit der Sozialarbeit bilden die nationale und internationale Vernetzungsarbeit sowie die Lobbyarbeit den Dreiklang, in dem die Hoffnung trotz allem wächst.“
So stand es in der Einladung für den 22. September in Herford zum 20-jährigen Bestehen. Die Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel feierte mit mehr als 70 Gästen aus Politik, Kirche, Behörden und sozialen Organisationen aus Ostwestfalen-Lippe sowie Vertreterinnen der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. als Trägerin mit Festgottesdienst und Empfang.  
„Es ist zutiefst schade und zugleich richtig und wichtig, dass es die Beratungsstelle Nadeschda gibt“, stellte Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl in ihrem Grußwort, das verlesen wurde, fest. „Ein Blick in die Geschichte von Nadeschda zeigt auch, dass Sie sich nie auf Erreichtem ausgeruht, sondern Ihre Arbeit immer wieder den Erfordernissen des gesellschaftlichen Wandels angepasst haben.“ So fasste Ina Scharrenbach, NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, die Leistung in ihrem schriftlichen Grußwort zusammen.
In den Dank- und Segensworten von Astrid Giebel (Diakonie Deutschland), den Landtagsabgeordneten Angela Lück (SPD) und Berivan Aymaz (Bündnis90/Die Grünen), Superintendent Michael Krause (Kirchenkreis Herford), Regine Reinalda (Dortmunder Mitternachtsmission), Elisabeth Mellies vom Vorstand der Evangelischen Frauen in Lippe und Inge Schnittker (Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.) wurde immer wieder hervorgehoben der kontinuierliche Einsatz und das unermüdliche Engagement der Beraterinnen Corinna Dammeyer, Mira von Mach und Leiterin Pfarrerin Birgit Reiche. Sie seien ein verlässliches Fundament für ein wachsendes Netzwerk, vertrauensvolle Zusammenarbeit und für Weiterentwicklung und Innovation.
In ihrem Festvortrag betonte Naile Tanis, Geschäftsführerin des Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (KOK), die weiteren politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen im Bereich Menschenhandel. Eine besondere in den letzten zwei Jahren sei die Identifizierung von Menschenhandel im Kontext von Flucht und Asyl, betonte die Geschäftsführerin. Sie unterstrich, Nadeschda habe sich in den vergangenen Jahren aktiv um Identifizierung und Unterstützung dieser Betroffenen bemüht und entsprechende Projekte zur Sensibilisierung, Schulung und Identifizierung durchgeführt.
Als eine weitere Herausforderung  nannte Tanis, die Ressourcen für Lobby-, Öffentlichkeits-, Sensibilisierungs- und Vernetzungsarbeit einzuplanen, auch um innovative und neue Maßnahmen und Projekte zu entwickeln. Sie bekräftigte, dass eine effektive Bekämpfung des Menschenhandels und der Ausbeutung nicht möglich sei ohne die Unterstützung der Betroffenen und die Stärkung ihrer Position. Daher müsse Deutschland zukünftig einen rechtebasierten Ansatz verfolgen, bei dem die Rechte der Betroffenen zumindest gleichrangig mit der Strafverfolgung im Fokus stünden.
„Der internationale Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung geht nicht zurück, sondern nimmt in erschreckendem Ausmaß zu“, fasste Mira von Mach zusammen. „Kriege und Bürgerkriege, ethnische Verfolgungen, Flucht und Armut haben seit jeher sexuelle Ausbeutung und erzwungene Prostitution zur Folge“, ergänzte sie. „Viele der weiblichen Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, haben diese Ausbeutung am eigenen Leib erlebt“, sagte ihre Kollegin. Sie haben hier einen Anspruch auf die Begleitung durch eine spezialisierte Beratungsstelle, auf sichere Unterbringung und auf Schutz. Pfarrerin Reiche stellte fest: „Um den Menschenhandel effektiver bekämpfen zu können, müssen die Opfer- und Zeuginnenrechte erweitert werden, insbesondere durch Änderungen im Ausländergesetz.“

Dokumentation der Jubiläumsveranstaltung unter www.frauenhilfe-westfalen.de.