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Vor dem Start der Weltklimakonferenz COP 30 in Brasilien

“1,5-Grad-Ziel”, “NDC”, “COP 30”: Was ab dem 10. November in Brasilien verhandelt wird, ist für Nicht-Insider oftmals nur schwer zu verstehen. Das große Ziel: Es muss schneller vorangehen als bisher beim Klimaschutz.

Am 6. und 7. November werden Staats- und Regierungschefs aus allen Teilen der Welt in Brasilien erwartet. Das Gipfeltreffen ist der Aufgalopp für die Weltklimakonferenz, die am 10. November in Belem im Amazonasbecken startet. Auf der bis zum 21. November dauernden Konferenz wollen Tausende Delegierte über weitere Maßnahmen zum Klimaschutz beraten. Grundlage ist das vor zehn Jahren abgeschlossene Klimaabkommen von Paris. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Groß-Event.

Das am 12. Dezember 2015 abgeschlossene Klimaabkommen sieht vor, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf unter 2 Grad, nach Möglichkeit auf unter 1,5 Grad, zu begrenzen. Dies soll durch Verminderungen beim Ausstoß von Kohlendioxid und anderen klimaschädlichen Gasen wie Methan oder Lachgas geschehen.

Wissenschaftler befürchten, dass sich die Erde trotz der bisherigen Anstrengungen in Sachen Klimaschutz auf deutlich über 2 Grad, vielleicht sogar 3 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts erwärmen wird. Folgen sind schon jetzt spürbar – etwa durch eine Zunahme von extremen Wetterereignissen wie dem Hurrikan “Melissa”, der vor einigen Tagen mit Windgeschwindigkeiten von rund 200 Stundenkilometern auf Kuba und Jamaika traf.

Je mehr die Durchschnittstemperatur steigt, desto größer ist laut Angaben von Forschern die Gefahr, dass Kipppunkte erreicht werden. Damit werden Veränderungen bezeichnet, die nur noch schwer oder gar nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Kürzlich etwa machte die Nachricht die Runde, dass die Warmwasser-Korallenriffe – das Great Barrier Reef vor der Nordostküste Australiens ist das berühmteste Beispiel – möglicherweise schon unrettbar verloren sind.

Das vergangene Jahr war laut Deutschem Wetterdienst das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Anstieg der globalen Jahresdurchschnittstemperatur betrug 1,6 Grad und lag damit erstmals für ein ganzes Jahr über dem vom Pariser Klima-Abkommen definierten Schwellenwert von 1,5 Grad.

Im Zentrum steht, wie bei den vorangegangenen Konferenzen der Vertragsstaaten – englisch: Conference of the Parties, kurz COP -, die Frage, wie sich die CO2-Emissionen möglichst zügig senken lassen. Dazu legen die Länder Selbstverpflichtungen vor, im Konferenzsprech Nationally Determined Contributions genannt, kurz NDC. Die bisher gemachten Zusagen werden allerdings nicht ausreichen, um bei der in Paris vorgegebenen Marke von 1,5 Grad Temperaturanstieg zu landen, sagt der Direktor der Münchner Klimaversicherungsinitiative MCII und Leitende Wissenschaftler am Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der UN-Universität in Bonn, Sönke Kreft.

Ein weiterer der vielen noch offenen Punkte ist die Finanzierung von Maßnahmen zum Klimaschutz. Bei der vergangenen Weltklimakonferenz einigten sich die Delegierten darauf, dass dafür vor allem aus den Industrienationen 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr fließen sollen. Die Regeln dafür sind aber offenbar zu vage. Außerdem reicht das Geld nicht aus, um beispielsweise bereits entstandene Verluste und Schäden auszugleichen. Konkret muss laut Wissenschaftler Kreft eine Finanzierungslücke von 1,3 Billionen US-Dollar geschlossen werden.

“Es geht um Geld, um Unterstützung und darum, wie die internationalen Zusagen beim Klimaschutz, bei der Anpassung und beim Umgang mit Schäden und Verlusten eingehalten werden können”, fasst die Klima-Expertin von Misereor, Anika Schroeder, die Lage zusammen. Dahinter stehe eine große politische Auseinandersetzung: “Wie kann Klimaschutz so gestaltet werden, dass er auch soziale Gerechtigkeit fördert – also eine gerechte Transformation hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft gelingt?”

Die Gastgeber der Weltklimakonferenzen versuchen traditionell, eigene Akzente zu setzen. Im Fall von Brasilien sind das der Schutz des Regenwaldes und ein neuer Ansatz bei den Verhandlungen namens “Global Mutirao”. Übersetzen lässt sich das in etwa mit “Gemeinschaftsarbeit” und zielt letzten Endes darauf ab, dass die Belange von gewöhnlichen Bürgern stärker berücksichtigt werden. Ob das zu mehr Akzeptanz für die Verhandlungen führt, die manche Beobachter als überladen und schwerfällig kritisieren, bleibt abzuwarten.

Mit den USA, die unter Präsident Donald Trump ein zweites Mal nach 2017 ihren Austritt aus dem Pariser Klima-Abkommen erklärt haben, fehlt ein wichtiger Player am Verhandlungstisch. Es brauche nun starke Akteure, die diese Lücke ausfüllen, sagt Misereor-Vertreterin Anika Schroeder. Diese Rolle könnten eigentlich die Europäer übernehmen. Aber die EU hat ihr eigentlich im Februar fälliges Klimaziel bislang noch nicht vorgelegt. “Und Deutschland hat dabei keine treibende Rolle gespielt”, bedauert Schroeder.

Letztlich wird es nach Ansicht von Beobachtern bei der Konferenz in Belem darum gehen, dass progressive Staaten aus Europa und Lateinamerika zusammen mit den am wenigsten entwickelten Ländern an einem Strang ziehen. Gesellt sich dann auch noch Schlüsselstaat China hinzu, könnten die Verhandlungen in Brasilien echte Fortschritte bringen.

Ohne das Pariser Abkommen und weitere Maßnahmen stünde die Welt nach Ansicht von Fachleuten im Kampf gegen den Klimawandel noch schlechter da als heute. Es gibt Hochrechnungen, wonach die Erde ohne die bisherigen Anstrengungen auf eine globale Erwärmung von bis zu 4 Grad zusteuern würde.

Echte Zuversicht verbreitet beispielsweise eine Studie der Energy and Climate Intelligence Unit in London. Demnach wird Strom inzwischen zu 41 Prozent aus nicht-fossilen Quellen erzeugt. Das ist doppelt so viel wie das britische Mineralölunternehmen BP vor zehn Jahren für das Jahr 2035 vorhersagte. Die weltweite Kapazität an Solarstrom hat sich den Angaben zufolge seit 2015 vervierfacht. Das Wachstum in diesem Bereich übertraf Prognosen der Internationalen Energieagentur IEA für diesen Zeitraum um 1.500 Prozent.

Zu den oft zähen Verhandlungen auf den alljährlich stattfindenden Weltklimakonferenzen sieht der UN-Wissenschaftler Sönke Kreft keine Alternative. Nur hier würden kleine, vom steigenden Meeresspiegel bedrohte Inselstaaten mit den großen Industrienationen auf Augenhöhe sprechen. “Es funktioniert”, sagt Kreft über die Gespräche unter dem Dach der UN – und fügt einschränkend hinzu: “Aber es funktioniert noch nicht gut genug.”