Drogenschnüffler, Schafshüter, Freizeitpartner: Hunde haben für Menschen viele Funktionen. Entsprechend vielschichtig ist die Beziehung zwischen Vier- und Zweibeinern – und unser Bild vom Hund einseitig.
Ein namenloser Straßenhund sucht im Müll nach Essensresten, während Fiffi auf dem Sofa mit Pralinen gefüttert wird. Wie Menschen Hunde behandeln und welche Aufgaben sie ihnen zuweisen, das hängt auch stark vom Lebensraum dieser Tiere ab. Schätzungsweise 500 Millionen Hunde gibt es weltweit. Biologisch gehören sie alle zur Wolfs-Unterart Haushund, dem Canis lupus familiaris.
Die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist kulturell geprägt; so hat der Vierbeiner je nach kulturellem Kontext ganz unterschiedliche Bedeutungen, die mit entsprechenden Erwartungen verknüpft sind. Daraus ergeben sich sehr verschiedene Mensch-Hund-Beziehungen, erklärt die Kulturanthropologin Elisabeth Luggauer. Sie arbeitet an der Humboldt-Universität in Berlin und forscht unter anderem zu streunenden Hunden in Städten.
„Wenn wir an einen Hund denken, dann denken wir an einen Vierbeiner, der mit einem oder mehreren Menschen in einer direkten Beziehung zusammenlebt, über dessen Aufenthaltsort man Bescheid weiß, der an irgendeinen Besitz gebunden ist, der registriert ist. Und wenn er draußen ist, dann ist er gemeinsam mit einem Menschen draußen – im Park, beim Hundesport.“ Doch rund drei Viertel aller Hunde weltweit leben ohne eine Anbindung an einen bestimmten Menschen.
Streunende Hunde waren Teil des Alltags
Dem westlichen Blick gelte eine Stadt mit freilaufenden Tieren als unzivilisiert, so die Forscherin. Dabei seien bis ins 19. Jahrhundert streunende Hunde auch etwa in London und Paris Teil des Alltags gewesen. Diese wurden nach und nach als „Straßenköter“ abgewertet und beseitigt, während gleichzeitig der Hund als bürgerliches Haustier in die Häuser einzog, erklärt Luggauer: „Der Hund als Teil der städtischen, nicht-adeligen Freizeitkultur, der nicht nur durch einen Garten rennt und ihn bewacht, sondern mit dem man durch den Park flaniert oder Hundeausstellungen besucht, dies entwickelte sich im Viktorianischen England.“
So prägte das britische 19. Jahrhundert das Bild des Hundes. „Dass der Hund eine bestimmte Rasse hat, dass er mit dem Status des Menschen zusammenhängt, dass er Ausdruck von Identität ist – wenn ich sportlich bin, habe ich auch einen sportlichen Hund“, so Luggauer, „dieser Blick auf Hunde fern einer klaren Funktion wie zur Jagd oder zum Tierehüten dominiert bis heute in Mitteleuropa.“ Und nicht nur dort, denn mit dem britischen Imperialismus habe sich diese Idee in andere Erdteile verbreitet.
Luggauer forscht im südöstlichen Europa. In Podgorica beispielsweise, der Hauptstadt Montenegros, sehe der Hunde-Alltag anders aus: Es gebe nicht nur jene Hunde, die in einem Haushalt leben und andere, die niemandem gehören. Sondern auch etwas dazwischen: Manche gehörten beispielsweise zu einem Haushalt, streunten aber auch mal tagelang durch die Gegend. Andere seien Straßenhunde, bekämen aber Futter von der immergleichen Nachbarschaft.
Hundebellen ist eine Wachfunktion
Auch die Vorstellung, dass ein „guter“ Hund erzogen ist und nicht bellt, sei in je nach regionalem Kontext unterschiedlich, erklärt die Kulturwissenschaftlerin. So sei das Bellen in Podgorica beispielsweise durchaus erwünscht, weil Hunde eine Wachfunktion haben.
Uneinheitlich ist auch die Haltung verschiedener Religionen zum Hund. So war es im Judentum lange Zeit eher unüblich, Haustiere zu halten. Im Islam ist die Haltung gegenüber Hunden ambivalent. Es gibt unterschiedliche Lehrmeinungen darüber, ob Hunde rituell unrein sind.
Doch man muss nicht erst in andere Weltregionen odern Weltreligionen schauen. Luggauer findet auch die kleinen Unterschiede spannend: „Es ist innerhalb Deutschlands von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich, welche Vorschriften zur Leinenpflicht es gibt oder an welche Orte Hunde mitdürfen“, sagt die Stadtanthropologin. „Und dann ist noch mal unterschiedlich, wie sich an die Vorschriften gehalten wird.“