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Vom Nobelhotel zum Seelsorgezentrum

Erst die Schickeria, dann Kriegsverwundete und schließlich über 75 Jahre erholungssuchende Menschen – so vielfältig wurde die „Tannenhöhe“ in Villingen genutzt. Das Jubiläumsjahr bedeutet gleichzeitig einen Einschnitt, denn künftig dient die Anlage als Ruhesitz für Senioren.

Das Hotel startete im Jahr 1900 mit hochgesteckten Zielen. Ein Politiker, Fürst Max Egon von Fürstenberg, stellte die Eröffnung unter das Motto: „Zum Heile der Menschheit. Zum Wohle der Stadt Villingen.“ Die Einrichtung bot Gästen einen Damen- und Musiksalon sowie einen großen Speisesaal.

Doch dieser Glanz schwand schnell. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Wirtschaftskrise verlor das Haus an Bedeutung. Es gab zwar noch einmal einen kurzen Aufschwung, als es in ein Kneipp-Kurhotel verwandelt wurde. Doch der Zweite Weltkrieg setzte der Wohlfühl-Einrichtung ein abruptes Ende – die Wehrmacht beschlagnahmte das Waldhotel.

Es diente zunächst als Lazarett, später als Unterkunft für ein Kriegsgefangenenlager. Nach Kriegsende 1945 nutzten die Alliierten das Haus als Sammellager für vertriebene Polen und Russen. Die Substanz verfiel. Die Gebäude wurden ausgeraubt und für einige Jahre verlassen.

Chancen in der Immobilie sahen die Aidlinger Schwestern, eine Gemeinschaft evangelischer Diakonissen. Gründerin Christa von Viebahn hatte die Vision von einem diakonischen Zentrum mit Gästehaus, Altersruhesitz und Kindererholungsheim. Sie verfolgte das Ziel, in der Anlage Menschen einen Erholungsort zu bieten und sie in ihrem christlichen Glauben zu stärken.

Die Schwestern übernahmen das ehemalige Luxushotel am 22. Mai 1950 in einem jämmerlichen Zustand. Ein Augenzeuge schrieb: „Es war schockierend: keine ganze Tür im Haus, die Füllungen waren reingetreten, Schloss und Schließblech oder beides herausgerissen.“ Eine andere Augenzeugin, Schwester Marianne Matthäus, berichtete: „Bis ich die Tannenhöhe kennenlernte, wusste ich nicht recht, was Gruseln ist.“

Es begannen sofort umfassende Renovierungsarbeiten. Schon im Juli 1950 trafen die ersten Feriengäste ein. Diese belegten zunächst das am besten erhaltene Haus. Die Verwandlung verlief nicht ohne Skepsis. Ein junges auswärtiges Ehepaar, das in der Stadt vom Aufenthalt im Ex-Hotel erzählte, erntete entsetzte Reaktionen. Eine Verkäuferin nannte das Haus eine „Räuberhöhle“.

Tatsächlich entwickelten sich die insgesamt drei Häuser zu einem frommen Zentrum. Ein Haus diente für Bibelkurse, Familien- und Wanderfreizeiten. Die ehemalige Villa wurde zunächst als Altersruhesitz für Frauen und Angehörige der Schwesternschaft eingesetzt, musste aber wegen Baumängeln 1975 abgerissen werden. Ein Neubau mit 35 Zimmern für Diakonissen folgte.

Ein drittes Haus etablierte sich ab 1951 als Kindererholungsheim. Später wurde es ein Kinderkurheim, das auch Kinder aus Tschernobyl aufnahm. Seit 1997 betreibt die Einrichtung dort eine Kindertagesstätte.

Die „Tannenhöhe“ engagierte sich auch in der Stadt Villingen. Es gab Veranstaltungen wie Musicals in der Stadthalle, Konzerte und Tage der offenen Tür. In den Jahrzehnten modernisierte das Haus kontinuierlich seine Ausstattung. Unter anderem installierte es 2006 ein neues Dach sowie eine neue Küche. Dieses Dach hielt stand, als nur wenige Monate später ein Hagelsturm mit elf Zentimeter großen Körnern die Stadt traf.

Am 21. November wollen die Aidlinger Schwestern den Gästebetrieb offiziell mit einem kleinen Festakt beenden. Bald wird es an den Umbau gehen. Geplant sind Gemeinschaftswohnungen für Senioren, in die neben den Schwestern auch Externe einziehen können. Es handele sich um ein „Wohnkonzept mit missionarischem Charakter“, schreiben Oberin Regine Mohr und Gästehaus-Leiterin Magdalene Schmidt. Die christliche Ausrichtung soll demnach auch weiterhin den Geist des Hauses bestimmen. (2924/16.11.2025)