Das stilisierte Motiv aus Schweden (siehe Bild) wurde 1987 von der Evangelischen Konferenz der Krankenhausseelsorge in der EKD als Logo für die Krankenhausseelsorge eingeführt. Zu erkennen ist eine Blüte, ein abgeschnittener Zweig, ein Kreuz. Das Signet setzt Erfahrungen ins Bild, die Menschen im Krankenhaus machen: Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen. Folge ich der Linie, wächst aus dem abgeschnittenen Stück eine Pflanze hervor: Ein kräftiger Stängel, zwei Blätter, die sich entfalten und eine dreiblättrige Blüte. Hinweis auf Gottes Dreifaltigkeit? Auf die Auferstehung? Schließlich der Rahmen: ein Kreuz, Symbol für Sterben und Auferstehung zugleich. Beides, Ende und neuer Anfang, werden vom Kreuz gehalten. Nicht das Ende, die Krankheit, das Sterben haben das letzte Wort. So gilt hier auch umgekehrt: Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen.
Im Raum der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) gibt es aktuell etwa 44 000 Krankenhausbetten im gesamten Kliniksektor. Die Verletzlichkeit des Lebens, Hilfsbedürftigkeit und Sterblichkeit und Grenzen der Therapie sind hier jeden Tag erfahrbar. Komplizierte medizinethische Entscheidungen fordern hier alltäglich Patientinnen und Patienten, deren Angehörige, Pflege und Sozialdienst, Ärztinnen und Ärzte heraus. Hier sind Pfarrerinnen und Pfarrer gefragt, Menschen fachkompetent und seelsorglich zu begleiten.
Seit über 65 Jahren besteht in der EKvW das Arbeitsfeld Krankenhausseelsorge als spezialisierter pfarramtlicher Dienst. An der ersten Tagung hauptamtlicher Krankenhausseelsorger im Oktober 1952 im Lindenhof in Bethel trafen sich neun Pfarrer, drei Vikarinnen und ein Diakon zu Erfahrungsaustausch und theologischer Arbeit. Fünf Jahre später hatte sich das Treffen als „Jahrestagung der westfälischen Krankenhaus- und Heilanstaltspfarrer“ etabliert. Im Mai dieses Jahres kamen zur Jahrestagung des „Konvents der Krankenhausseelsorge“ 65 Frauen und Männer aus ganz Westfalen in Haus Villigst zusammen. Zum Konvent gehören heute rund 120 vorwiegend Pfarrerinnen und Pfarrer in Krankenhausseelsorgepfarrstellen und in besonderen Dienstaufträgen, die in der Regel in der Verantwortung der Kirchenkreise liegen, dazu einige Diakoninnen und Diakone mit besonderem Seelsorgeauftrag.
Ihre Aufgabe ist es, Menschen in Krankheit und Sterben beizustehen. An den Orten, wo heute die meisten Menschen sterben, nämlich im Krankenhaus, pflegen sie eine Kultur des Abschieds durch Sterbebegleitung und Krankenhausgottesdienste für die Angehörigen der Verstorbenen. Sie arbeiten mit allen Berufsgruppen im Krankenhaus und mit den Kirchengemeinden vor Ort zusammen. Die Seelsorgenden sind auch für Angehörige und nicht zuletzt für die Mitarbeitenden im Krankenhaus da. Sie gestalten oder unterstützen die Arbeit der Ethikkomitees, arbeiten mit in der innerbetrieblichen Fortbildung einer Klinik, gestalten die Kultur eines Krankenhauses mit. So sind sie ein kirchlicher Dienst in der Arbeits- und Lebenswelt Krankenhaus.
Durch die Ökonomisierung und die fortschreitende Technisierung der Behandlungsabläufe haben sich Arbeitsprozesse und Kultur der Krankenhäuser drastisch gewandelt. Liegezeiten wurden verkürzt, medizinische Möglichkeiten an Lebensanfang und -ende sind heute von Pränataldiagnostik bis Palliativpflege gewachsen – und unter Druck.
Auch für die Krankenhausseelsorge sind die Veränderungen im Gesundheitswesen deutlich spürbar. Intensivmedizinische Zentren sowie die Weiterentwicklung der Palliativmedizin machen die Fragen nach einem mutmaßlichen oder schriftlich geäußerten Patientenwillen dringlicher. In Kinderkliniken muss die Seelsorge nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern ebenso ihre Geschwister und Eltern ansprechen. Modelle einer verlässlichen und zeitnah erreichbaren Rufbereitschaft sind im ländlichen Raum anders zu realisieren als in einer Großstadt. Eine spezialisierte Seelsorgeausbildung, ethische Kompetenz und pastoralpsychologische Expertise gehören zu den Anforderungen an eine gute Krankenhausseelsorge.
Es ist nicht mehr möglich, evangelische Krankenhausseelsorge in dem Umfang vorzuhalten, der fachlich wünschenswert wäre. Ein flächendeckendes Netz hat heute schon Lücken. Modelle einer geteilten Finanzierung durch Kirchensteuern und Krankenhausträger werden in fast allen Kirchenkreisen realisiert, um dem entgegenzuwirken.
Die ökumenische Zusammenarbeit vor Ort und die Aufgabe einer seelsorglichen Begleitung für Patientinnen und Patienten, die anderen Religionsgemeinschaften angehören, hat an Bedeutung gewonnen. Die Suche nach qualifiziertem Nachwuchs ist ähnlich drängend wie in den Gesundheitsberufen und im Pfarramt. Auch die Gewinnung, Ausbildung und Begleitung Ehrenamtlicher in Besuchsdiensten und für klar einzugrenzende seelsorgliche Aufgaben sind Themen der Krankenhausseelsorge für die Zukunft.
Im Fachbereich Seelsorge im Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung (IAFW) hat insbesondere die landeskirchliche Pfarrerin für Krankenhausseelsorge die Aufgabe, diese Fragen in Zusammenarbeit mit dem Konvent der Krankenhausseelsorge zu erörtern und die Kirchenkreise zu beraten.
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Vom Leben umfangen – auch mitten im Tod
Geschichte, Veränderungen und Herausforderungen der spezialisierten Seelsorgearbeit in Westfalen
