Von Claudia Schülke (epd)
Für viele Vögel ist der Frühling schon da: Meisen, Spatzen, Kleiber markieren ihre Reviere, Waldkauz und Schleiereule beginnen mit der Balz. In diesem Jahr ist der Winter quasi ausgefallen, der letzte kalte Winter liegt schon mehrere Jahre zurück. Die Vögel passen sich an. Das gilt auch für die Zugvögel: Zugvögel in Europa und Nordamerika fliegen im Schnitt eine Woche früher in ihre Brutgebiete zurück als noch vor 60 Jahren, wie der Naturschutzbund Deutschland mitteilte: "Je höher die Frühlingstemperaturen, umso früher starten die Vögel ihre Rückreise nach Norden."
Ein spektakuläres Beispiel einer beschleunigten Anpassung unter Singvögeln ist die Mönchsgrasmücke, die ihr Brutgebiet sogar im Schnitt 19 Tage früher anfliegt als vor 60 Jahren. Der kleine Park- und Gartenvogel mit dem schwarzen oder rotbraunen Käppchen ist im Herbst früher bis nach Südfrankreich, Spanien oder Nordafrika gezogen. Jetzt fliegt er nur noch nach England. Innerhalb weniger Generationen ist es dieser Art gelungen, neue Flugrouten und Winterquartiere im Erbgut zu speichern, wie Forscher der Vogelwarte Radolfzell schon vor längerem nachweisen konnten.
Andere einstige Kurzstreckenzieher wie Singdrossel und Star bleiben gleich ganz daheim, denn im Winter hängen noch allerlei Fruchtreste in Bäumen und Sträuchern. Auch Kiebitz und Hausrotschwanz, bislang klassische Zugvögel, verbringen den Winter immer häufiger in Mitteleuropa.
Manche Langstreckenzieher fliegen nicht mehr so weit: Vor allem die Weißstörche der westlichen Flugroute sparen sich meist den Flug über die Meerenge von Gibraltar nach Afrika und bleiben in Spanien. Die ersten sind schon jetzt zurück in Deutschland und haben ihre Vorjahresnester besetzt. Auch Kraniche wurden schon im Februar über Deutschland gesichtet.
Andere Langstreckenzieher wie die Dorngrasmücke oder der Trauerschnäpper aber geraten in Not. Sie halten stärker an ihren Zugmustern fest, weil diese offenbar fest in ihrem Erbgut fixiert sind, damit sie heil über Sahara und Mittelmeer kommen.
Wie der Nabu mit Berufung auf die britische "Royal Society for the Protection of Birds" erklärt, müssen mehr als 80 Prozent der europäischen Langstreckenzieher länger und weiter fliegen als bisher, weil sich in Afrika die Wüsten ausbreiten, Landschaften versteppen und Feuchtgebiete weltweit dreimal schneller verloren gehen als Wälder. Auf 37 Prozent der Zugwege müssten die Vögel einen zusätzlichen Zwischenstopp einlegen, um ihre aufgebrauchten Fettpolster wieder aufzubauen.
Das bringt ihnen große Nachteile. Denn wer zuerst ankommt, brütet zuerst. Langstreckenzieher wie Kuckuck, Trauerschnäpper oder Gartenrotschwanz kommen erst im April bei uns an. Bis dahin sind die Wirtsgelege des schmarotzenden Kuckucks mittlerweile oft schon so weit bebrütet, dass die Elternvögel das fremde Ei erkennen und aus dem Nest befördern. Auch die Insekten sind infolge milder Witterung häufig schon so weit entwickelt, dass beispielsweise der Nachwuchs des Trauerschnäppers zu verhungern droht, weil die von ihm bevorzugten Schmetterlingsraupen sich schon verpuppt haben.
Spechte dagegen finden infolge der milden Witterung mehr Nahrung unter der Rinde, weil sich der Borkenkäfer ausbreitet. Auch wärmeliebende Vögel wie Silberreiher, Wiedehopf und Bienenfresser breiten sich weiter aus. Noch weiß man nicht, wie das die regionale Vogelfauna verändert.
"Generell", sagt Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut of Animal Behavior in Radolfzell, "kann man sagen: Tiere sind meist sehr flexibel und können sich schnell an sich ändernde Bedingungen anpassen. Was sie dafür brauchen, ist Diversität der Lebensräume und des Futters. Dann können sie sich die besten neuen Bedingungen aussuchen und gut überleben."