Seit zu Jahresbeginn eine neue EU-Richtlinie in Kraft getreten ist, sind viele Verbraucher verunsichert: Darf abgenutzte Kleidung noch in den Restmüll oder nicht? Der gemeinnütziger Sammel-Dachverband bittet sogar darum.
Der Kleiderladen für Second-Hand-Garderobe der Caritas in der Eifel hat inzwischen einen Annahmestopp ausgerufen. “Wir sind pickepackevoll”, sagt Ute Stolz, Sprecherin des Verbands. Das Lager des Lädchens quelle über. Seit Jahresbeginn werden laut Stolz deutlich mehr Altkleider bei ihnen abgegeben als zuvor. “Manche kommen mit einem ganzen Kofferraum voll Säcken vieles davon ist nicht mehr tragbar”, sagt die Caritas-Sprecherin. Stolz hat den Eindruck, dass die Eifeler inzwischen zur Caritas bringen, was sie sonst anderweitig entsorgt hätten.
Seit zum 1. Januar dieses Jahres eine neue EU-Richtlinie zur Getrenntsammlung von Textilabfällen in Kraft getreten ist, ist die Verwirrung bei Verbrauchern offenbar groß. Oft hieß es, dass man seine alte Kleidung ab sofort nicht mehr im Restmüll entsorgen darf. Das ist falsch, sagt Thomas Ahlmann, Geschäftsführer von FairWertung, dem Dachverband gemeinnütziger Organisationen, die Altkleider sammeln. “Als Verbraucher kann ich mich beim kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb erkundigen, grundsätzlich gehört kaputte und verschlissene Kleidung nach wie vor in die Restmülltonne”, betont Ahlmann – “und nicht in den Altkleidercontainer”.
Verbraucher würden mit der Entsorgung von Kleidung in der Restmülltonne nicht gesetzwidrig handeln, hätten kein Bußgeld zu befürchten, und auch ihre Tonne werde abgeholt. Eine Sprecherin des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) bestätigt: “Die Entsorgungsbetriebe kontrollieren im Regelfall keine Restmülltonnen, sondern die Reinheit der getrennt gehaltenen Wertstoffe.” Die Trennpflicht bei Textilien adressiert laut FairWertung die Kommunen – und nicht die Verbraucher. “Die Abfallwirtschaftsbetriebe sollen Möglichkeiten schaffen, um unbrauchbare Textilien und textilen Müll getrennt zu sammeln. Teppiche, Matratzen und andere Textilwaren gehören nicht in Sammlungen.”
Dem Verband kommunaler Unternehmen zufolge werden in der Europäischen Union pro Jahr 11,3 Kilogramm Kleidung pro Person weggeworfen. In Deutschland werden von der aussortierten Kleidung wiederum 64 Prozent in Altkleidercontainern gesammelt. “Da sind wir Getrenntsammlungsweltmeister”, sagt FairWertungs-Chef Ahlmann. Das europäische Ausland komme im Schnitt nur auf eine Sammelquote von unter 30 Prozent. Der Rest der Kleidung hierzulande (36 Prozent) werde privat weitergereicht – ganz besonders Baby- und Kinderkleidung – oder lande eben im Restmüll und werde verbrannt. “Eine Analyse des Umweltbundesamts besagt, dass vier Prozent des Restmülls aus Kleidung besteht.”
Allerdings haben die Altkleidersammler seit Jahresbeginn festgestellt, dass in ihren Container immer mehr verschmutzte oder kaputte Kleidung geworfen wird. Und das, so Ahlmann, gefährde das System der Altkleidersammler. “Schon jetzt sind 30 bis 40 Prozent der gesammelten Altkleider löchrig, ölverschmiert, ausgewaschen, zerschlissen, aus der Form oder verdreckt – also unbrauchbar für die Wiederverwendung.” Diese Menge steige weiter an, weil beliebte Billighändler qualitativ minderwertige Kleidung verkauften. “Und nun kommt noch die Welle unbrauchbarer Kleidung dazu, die sonst im Restmüll gelandet wäre”, klagt Ahlmann.
Die Europäische Union will mit der gesetzlichen Getrenntsammelpflicht eine Reduzierung des Abfalls erreichen und das Recycling fördern. Und das aus gutem Grund: Dem VKU zufolge hat der Textilverbrauch in der EU im Durchschnitt die vierthöchsten Auswirkungen auf Umwelt und Klimawandel. Textilien sind zudem der drittgrößte Verbrauchsbereich bei Wasser und Flächen und der fünftgrößte, wenn es um die Verwendung von Primärrohstoffe geht. Anna Hanisch, Referentin für Kreislaufwirtschaft bei dem Naturschutzbund (Nabu), sagt: “Das Grundproblem ist die schiere Masse an Kleidung und Textilien.”
Dass die sogenannte Abfallrahmenrichtlinie 2025 in Kraft tritt, sei keine Überraschung gewesen. “Dass die Sammelpflicht zu diesem Zeitpunkt kommt, steht seit 2018 fest”, erklärt Hanisch. Man habe es in der Zwischenzeit aber versäumt, mit dem Aufbau einer Recyclingindustrie zu beginnen. Die Sprecherin des Verbands kommunaler Unternehmen sieht allerdings nicht die Entsorgungsbetriebe in der Pflicht. Weil die Richtlinie so unspezifiziert sei, hingen diese Unternehmen “im Niemandsland”. So sei zum Beispiel nicht klar definiert, was genau unter textilen Abfällen zu verstehen sei.
Der VKU sieht die Verantwortung weniger bei den Entsorgern als bei den Herstellern von Kleidung – also Konzernen wie Inditex zum Beispiel, mit seinen Handelsmarken Zara, Bershka oder Massimo Dutti. Die EU plant auch tatsächlich eine “erweiterte Herstellerverantwortung”, die Textilproduzenten verpflichtet, sich an den Kosten für Sammlung, Sortierung und Recycling zu beteiligen. Wer schließlich aber verdreckte und ausgeleierte Kleidung sammelt, sortiert und recycelt, ist bisher offenbar noch unklar. Dass es dafür in Zukunft Extra-Tonnen geben werde, sieht der Verband derzeit nicht.
Nicht wiederverwertbare Kleidung, die im Altkleidercontainer landet, wird aktuell etwa zu Putzlappen, Dämmstoffen oder Malervlies verarbeitet. “Allerdings können wir gar nicht so viel malen oder putzen, wie wir anfertigen”, sagt Ahlmann. Der Schlüssel liege darin, aus recycelten Textilfasern neue Kleidung herzustellen. “Recyclingfasern werden von der Industrie aber nicht nachgefragt, weil sie erstens teurer sind und zweitens qualitativ schlechter als Frischfasern.” Laut Nabu-Referentin Hanisch sind weniger als ein Prozent der verwendeten Fasern in Kleidung heutzutage recycelt – und wenn, dann meist nicht aus Altkleidung, sondern aus PET-Flaschen.
Recycling fängt für Hanisch deshalb schon beim Design der Kleider und Textilien an. So ließen sich Mischgewebe etwa viel schlechter auseinanderlösen als Stoffe, die aus einzigen einem Material bestehen – wie etwa Jacken aus 100 Prozent Baumwolle. “Man muss an vielen Schrauben drehen”, sagt die Umweltschützerin. Die EU erwäge mittelfristig auch, Textilhersteller dazu zu verpflichten, einen Mindestanteil an Recyclingfasern zu nutzen. “So käme es dann in Gang”, sagt Hanisch. Vieles laufe auf EU-Ebene in die richtige Richtung. Die Referentin macht sich aber keine Illusionen: “Das wird alles noch Jahre dauern.” Allein, weil es noch keine automatisierten Recyclingverfahren gebe, die im großen Maßstab funktionierten.