Verdienen Frauen weniger als Männer? Die Antwort auf diese Frage ist kompliziert. Ein klares ‚Nein‘ oder ‚Ja‘ gibt es nicht.
Es gibt einen vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern von 22 Prozent, den so genannten „Gender Pay Gap“. Er beschreibt den prozentualen Unterschied zwischen abhängig beschäftigten Frauen und Männern beim durchschnittlichen Bruttostundenverdienst. Für die Ermittlung des Gender Pay Gap werden die Bruttostundenlöhne von Frauen und Männern aus unterschiedlichen Berufen und Branchen miteinander verglichen. In diesen Wert fließen alle Einkünfte aus allen Beschäftigungsverhältnissen – also aus Vollzeitbeschäftigung (eher männlich), Teilzeitbeschäftigung und geringfügiger Beschäftigung (eher weiblich) – mit ein.
Verschiedene Teilnahme am Erwerbsleben
Damit gibt der Gender Pay Gap keine Auskunft über den Verdienst von Frauen und Männern bei gleicher Tätigkeit. Er bedeutet nicht, dass Frauen in Deutschland bei gleicher Tätigkeit rund ein Fünftel weniger verdienen als Männer.
Er gibt aber darüber Auskunft, dass Frauen und Männer auf unterschiedliche Art und Weise am Erwerbsleben in Deutschland teilnehmen. Mehr Frauen als Männer arbeiten in Teilzeit oder in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen, wie den 450 Euro-Jobs. Mehr Frauen als Männer steigen nach der Geburt des ersten Kindes aus dem Beruf aus. Es gibt nach wie vor typische Frauen- und typische Männerberufe.
Es gibt einen Unterschied zwischen erwerbstätigen Frauen und Männern. Der Unterschied wirkt sich für Frauen in verschiedener Hinsicht nachteilig aus. Da sind zuerst die Unterschiede in den Beschäftigungsverhältnissen. Etwas holzschnittartig formuliert: Viele Frauen arbeiten zu lange in Teilzeitbeschäftigung. Am Ende des Erwerbslebens zeigt sich dann oft, dass die erworbenen Rentenansprüche nicht ausreichen.
Teilzeitbeschäftigung kann für bestimmte Lebensphasen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sinnvoll sein. Als Langzeitlösung kann sie zu erheblichen Problemen führen. Neben der drohenden Altersarmut wird auch die volle Rückkehr in den Beruf immer schwieriger und die Aufstiegsmöglichkeiten immer unwahrscheinlicher.
Der Blick fällt auch auf erhebliche Lohnunterschiede zwischen einzelnen Berufen: Viele typische Frauenberufe sind schlechter bezahlt als typische Männerberufe.
Die Überschreitung der Geschlechtergrenzen in der Berufswahl ist mühsam.
Frauen weisen mehr Lücken im Erwerb auf
Aufs Ganze gesehen bedeutet das: Viele erwerbstätige Frauen sind nicht in der Lage, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften. Besonders für Alleinerziehende oder nach einer Scheidung wird das für Frauen zum Problem. Und es bedeutet, dass es einen realen Gender Pay Gap von 7 Prozent Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern bei gleicher Tätigkeit gibt. Dieser Gap entsteht vor allem, weil Frauen die größeren Lücken in ihren Berufsbiographien aufweisen und aufgrund kürzerer Betriebszugehörigkeitsdauer oder wegen weniger Berufserfahrung geringer bezahlt werden.
Der Grund für die Unterschiede in der Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern liegt darin, dass es nach wie vor eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz der klassischen Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern gibt. Dass Männer die Familie ernähren und Frauen dazuverdienen, dass Männer als Handwerker arbeiten und Chefs sind, während Frauen im Büro oder an der Kasse sitzen, das ist immer noch normal.
Und solange das so ist, bleibt es auch normal, dass mehr Frauen als Männer von Altersarmut bedroht sind, dass Frauen schneller in prekäre Verhältnisse geraten als Männer, auch wenn sie gut ausgebildet sind. Das zumindest sollte sich diese Gesellschaft klarmachen.
Andererseits wird die Vielfalt von Lebensentwürfen in unserer Gesellschaft immer sichtbarer. Frauen und Männer verlassen die typische Rollenaufteilung und suchen nach neuen Wegen. Eine wichtige Frage lautet darum, wie können Frauen und Männer ermutigt und unterstützt werden, Wege jenseits der klassischen Rollenverteilung zu finden und zu gehen? Es sind viele Schrauben, an denen wir drehen müssen, damit die Frage, ob Frauen und Männer das Gleiche verdienen, mit einem einfachen ‚Ja‘ beantwortet werden könnte. Es sind die Schrauben zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur gerechten Verteilung der unbezahlten Familienarbeit zwischen Frauen und Männern und zur Berufswahl, die gedreht werden müssen. Und zwar alle gleichzeitig und von Frauen und Männern und von Beschäftigten und Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen gemeinsam.
☐ Diana Klöpper ist Pfarrerin im landeskirchlichen Frauenreferat der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) und Frauenbeauftragte der EKvW.