Von dem schwarz-weißen Bild einer Kuh – auf dem groß das Wort „Kuh“ prangt – bis zu den abstrakten, mit Rakel über die Leinwand gezogenen Bildern: die Exponate im Düsseldorfer Museum Kunstpalast zeigen die Vielfalt von Stilen, Formaten und Ausdrucksformen des Malers Gerhard Richter, der heute im Alter von 92 Jahren in Köln lebt. Die Schau „Verborgene Schätze“ gewährt von Donnerstag an auch seltene Einblicke in das Leben des Künstlers mit Bildern seines Sohnes Moritz als Baby oder einer Skizze seiner bevorzugten Ferienregion, des Engadin in den Schweizer Alpen.
Solche Einblicke sind nach den Worten von Kurator Markus Heinzelmann selten, da Richter zu persönlichen und mehr noch zu gesellschaftlichen Themen immer Distanz wahre. Eine Ausnahme war in jüngerer Zeit die Schenkung seines Birkenau-Zyklus und der Entwurf eines eigenen Museums an die Gedenkstätte in Auschwitz. Wie der Freundeskreis des Museums mitteilt, wird der Initiator des Projektes, der Vizepräsident des Internationalen Auschwitzkomitees Christoph Heubner, darüber im November im Rahmenprogramm der Ausstellung sprechen.
Gerhard Richter, geboren 1932 in Dresden, war 1961 aus der DDR geflohen. Er ließ sich 1964 dem Rat eines Künstlerkollegen folgend in Düsseldorf nieder. Er schrieb sich, obwohl schon über 30 Jahre alt, in der Kunstakademie ein und war von der Arbeitsmoral dort zunächst enttäuscht. In Briefen an Kollegen in Dresden habe er beklagt, dass die Modelle für Aktzeichnung sich nicht einmal auszögen, erzählt Kunstpalast-Direktor Felix Krämer. Als Richter sich aber, um Geld zu verdienen, am Bau von Karnevalswagen beteiligte, sei er im Rheinland angekommen. Hier habe sich dann auch eine „kenntnisreiche, kluge und kaufbereite Sammlerschaft“ gebildet, die bereits in den 1960er Jahren erste Ausstellungen organisierte.
Wie der Maler von Anfang an mit seinen Sammlerinnen und Sammlern zusammen wirkte, zeige sich an frühen Porträts, sagte Kurator Markus Heinzelmann. Richter hat zwar immer Porträts gemalt, es aber abgelehnt, Sitzungen mit seinen Modellen zu halten. Er bat sie vielmehr um Fotos. Deshalb habe sein erster Galerist Alfred Schmela potenzielle Sammlerinnen und Sammler aufgefordert, sich in Passbild-Automaten fotografieren zu lassen und Richter diese schwarz-weiß-Bilder als Vorlage für gemalte Porträts zu geben. Nicht diese, aber andere Schwarz-Weiß-Porträts aus den 1960er Jahren zeigt die Ausstellung auch.
Für Sammlungen von Betrieben und Unternehmen entstanden ganze Serien. So heißt es in den Informationen der Ausstellung zu einem Zyklus mit Alpen-Bildern, eine Immobilienfirma habe sie mit dem Ziel angeregt, den Wert ihrer Sammlung zu steigern – sie sei kostbarer, wenn der Künstler selbst die Bilder dafür ausgewählt habe. Auch die beiden größten Bilder in Richters Werk sind im Auftrag eines Unternehmens entstanden und Teil der Schau: Die Victoria-Versicherung, heute Ergo, zeigt sie in ihrem eigenen Foyer, in unmittelbarer Nähe des Kunstpalasts. „Die sind dort so fest eingebaut, dass wir sie nicht ins Museum holen konnten“, schildert Krämer. Ergo habe zugesichert, dass sie in ihrer Zentrale während der Öffnungszeiten der Ausstellung zu sehen sind.
Ein prominenter Künstler hat ein eigenes Richter-Gemälde zu der Ausstellung beigetragen: der Fotografie-Künstler Andreas Gursky besitzt das abstrakte Bild „Weinernte“ von 1968. „Es ist bemerkenswert, dass der Fotograf, der für besonders scharfe Fotos weltberühmt wurde, ein abstraktes Gemälde von Gerhard Richter hat“, sagt Kurator Heinzelmann. Überhaupt sei Richter ein Maler, den gerade auch Künstlerkolleginnen und Kollegen besonders schätzten.
Die meisten Besitzer bleiben dagegen anonym. Für alle seien die Bilder „Familienmitglieder geworden, die jetzt eine Lücke, ein Stück weiße Wand mit einem Nagel hinterlassen“, sagt Krämer. Zitate von Richter ergänzen den Eindruck, dass dies eine besonders persönliche Ausstellung des Künstlers und seiner Sammler ist. Zu Landschaftsbildern schreibt Richter: „Landschaften sind eine Sehnsucht nach dem unbeschädigten, schlichten Leben.“ Seine ungegenständlichen Bilder lassen sich dagegen als Äußerungen seiner Persönlichkeit verstehen: „Die abstrakten Werke sind meine Gegenwart, meine Wirklichkeit, meine Probleme, meine Schwierigkeiten, meine Widersprüche. Sie sind für mich sehr aktuell.“