Ein Gesetz zum Schutz von Prostituierten sei nicht gescheitert, müsse aber überarbeitet werden – so das Ergebnis einer Überprüfung durch Experten. Verbände sehen das anders.
Ungeachtet einer neuen Experteneinschätzung zum Prostituiertenschutzgesetz fordert der Frauenrechtsverein Terre des Femmes ein Sexkaufverbot in Deutschland. Es genüge nicht, am Gesetz an einzelnen Stellen zu schrauben, erklärte Bundesgeschäftsführerin Christa Stolle am Mittwoch in Berlin. Notwendig sei ein grundsätzliche Sexkaufverbot als Hebel gegen Gewalt, Ausbeutung und Ungleichheit. Der Frauenhilfeverein Solwodi spricht mit Blick auf die Experteneinschätzung von einer verpassten Chance.
Prostitution sei gefährlich, in jeder Erscheinungsform, erklärte die Terre-des-Femmes-Geschäftsführerin weiter. Das Machtgefälle zwischen Sexkäufer und Prostituierter sei immer da – denn genau darum gehe es in diesem System. “Prostitution ist keine Serviceleistung, kein Konsens – es ist ein fauler Deal, bei dem die Prostituierten einen viel höheren Preis bezahlen”, so Stolle.
Seit 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr sittenwidrig. Mit dem Prostituiertenschutzgesetz wurde die Ausübung 2017 neu geregelt und wieder strenger reglementiert. Freiwillige Prostitution ist demnach in Deutschland weiter grundsätzlich legal, es gibt aber rechtliche Regelungen. Zwangsprostitution und Menschenhandel zu sexueller wie auch anderer Ausbeutung sind demnach verboten und strafbar. Laut einem am Dienstag vorgelegten Evaluationsbericht hat das Gesetz Schwächen. Diese könnten aber ausgebessert werden, so die Meinung der Experten.
Demgegenüber stellt das sogenannte Nordische Modell den Kauf sexueller Dienstleistungen sowie deren organisierte Vermittlung unter Strafe – entkriminalisiert aber die Prostituierten selbst und bietet ihnen umfassende Unterstützung beim Ausstieg und Neuanfang. Auch das katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis hatte sich dafür ausgesprochen, dieses Modell umzusetzen.
Zur Evaluierung des aktuellen Gesetzes erklärte der Verein Solwodi, die Ergebnisse beruhten auf einer methodisch zumindest fragwürdigen Herangehensweise. So seien rund 2.300 Prostituierte in einer Online-Umfrage befragt worden. Wer 15 bis 16 Stunden am Tag Freier bedienen müsse, habe aber kaum die Zeit, sich an einer Umfrage zu beteiligen. Sprach- und Bildungsbarrieren sowie die Unkenntnis über die Bedeutung derartiger Umfragen kämen hinzu. Somit führe die Befragung zu einem verzerrten Bild.
Verstörend seien zudem die Empfehlungen der Autoren, zu prüfen, ob Hochschwangeren und Minderjährigen die Prostitutionstätigkeit gestattet sein sollte, da sie somit besser ins Hellfeld der Behörden gelangen würden. Damit entledige sich der Staat seiner Schutzfunktion gegenüber diesen besonders verwundbaren Gruppen. Außerdem zeige das Lagebild des Bundeskriminalamts zum Menschenhandel deutlich, dass allein die Anmeldung nicht vor Ausbeutung und kriminellen Strukturen schütze. Solwodi setzt sich unter anderem für Frauen ein, die Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung sind.