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Verantwortung statt Hysterie

Wie reagieren Kirche und Diakonie auf das Coronavirus?

Von Sibylle Sterzik (mit epd)Samstagabend. Das Telefon klingelt bei der Pfarrerin. Jemand aus dem Kindergottesdienstteam teilt mit, er müsse leider die ­Kinderkirche für morgen ­absagen. Er wolle sich keiner möglichen Ansteckung durch Kinder mit Corona aussetzen. Seine Vorerkrankung lasse ihn da vorsichtig sein. Ersatz ist schnell gefunden. Doch wie lange der Mitarbeitende ausfällt, bleibt ungewiss.Das Coronavirus breitet sich auch in Deutschland aus. Das vergrößert die Angst vor einer Ansteckung. Die meisten aber bleiben gelassen, drei von vier Bundesbürgern sind eher wenig besorgt, sich oder jemanden aus der Familie anzustecken. Das ergab eine ARD-Umfrage. Doch wie sieht es in der Kirche aus? Welche Maßnahmen werden ergriffen und welche Auswirkungen sind zu spüren? Die Potsdamer Nikolai-Kirchengemeinde handelt. Jedes Jahr war die Nikolaikirche proppenvoll beim „Gedeckten Tisch“ für bedürftige Menschen der Stadt – bis zu 4000 Gäste kamen. Doch dieses Jahr fällt die Veranstaltung am 14./15. März als Vorsichtsmaßnahme aus. Der „Gedeckte Tisch“ sei ein „An­gebot der Nähe“, sagte Pfarrer ­Matthias Mike: „Dafür stehen die Zeichen im Moment nicht.“Auf den Friedensgruß im Gottesdienst verzichtet die Berliner Mariengemeinde aus gegebenem Anlass, informiert die Pfarrerin. ­Ersatzlos gestrichen sei die Geste jedoch nicht. Zuzwinkern ist das neue Handgeben. Not macht erfinderisch. Alle Austeilenden hätten sich zudem vor dem Abendmahl die Hände desinfiziert. Und wenn trotz Virengefahr ein ­Gottesdienstbesucher seine Oblate nicht in den Kelch eintaucht, wie jüngst von der Kirche empfohlen, sondern daraus trinkt, wird dieser danach ausgetauscht und gereinigt. Die Gemeinde setzt damit auch eine von der EKBO verbreitete Richtlinie der EKD um. Intinctio, also Eintauchen der Oblate in den Wein, wird empfohlen. Reicht das? Aus Versehen trinkt doch jemand wie gewohnt aus dem Kelch. Oder berührt unabsichtlich mit den Fingerkuppen den Wein. Unsicherheit macht sich breit. Den Hinweis, das Abendmahl für 14 Tage oder einen Monat ausfallen zu lassen, um einer möglichen Infektion vorzubeugen, enthält das verbreitete Papier nicht. Das verwundert angesichts des Appells von Gesundheitsminister Jens Spahn, mitzuhelfen, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. „Jeder Bürger müsse sich überlegen, worauf er in den nächsten Monaten verzichten könnte“, sagte er. Gottesdienste und Gemeindekreise sind zwar in der Regel keine Massenveranstaltungen. Trotzdem kommen viele Menschen zusammen. Hier ein Handschlag, da eine Umarmung, dort ein Küsschen. Oft sind ältere und mit Vorerkrankungen belastete Menschen darunter. Ein Grund, in der Kirche besondere Vorsicht walten zu lassen? Superintendentin Eva-Maria Menard wehrt sich am vergangenen Freitag gegen Panikmache, vor allem durch „die Medien“. Die Kirchenzeitung solle sich da nicht beteiligen. Zumal es in der Prignitz keinen ­Coronafall gebe. Wichtiger sei es, die Aufmerksamkeit auf die Lage der Flüchtlinge an der griechisch-türkischen Grenze zu lenken. Es sei schon erstaunlich, wie die Wahrnehmungen von Problemen durch Berichterstattung gelenkt wird. „Wir treffen keine besonderen Vorkehrungen“, sagt sie. „Aber alle notwendigen Maßnahmen werden beachtet.“Beim zweiten Telefonat am Montag „ist eben nicht alles, aber manches anders“, sagt die Superintendentin. Bekannt wird, dass im brandenburgischen Neustadt/Dosse im Landkreis Ost­prignitz-Ruppin wegen Corona-Verdachts etwa 2250 Menschen in häuslicher Quarantäne sind. Schulen, Internate, Hort und Stadtverwaltung schließen. Der Grund ist ein nachgewiesener Corona-Fall bei einer Pferdezüchterin aus Berlin, die bei einem Treffen in Neustadt mit Vertretern einer Schule und des Amtes Kontakt hatte. Drei Geistliche in QuarantäneIn Quarantäne sind auch zwei Pfarrer und eine Pfarrerin aus der Südregion des Kirchenkreises Prignitz. Sie oder jemand aus ihrer Familie, hatten Kontakt zu der geschlossenen Schule. Bis 17. März müssen die Pfarr­personen alle Dienste ruhen lassen. Gottesdienste und Passionsandacht sind für diese Woche und kommendes Wochenende abgesagt. „Reine Vorsichtsmaßnahme“, betont Rilana Gericke von der Öffentlichkeitsarbeit des Kirchenkreises. „… und weil diese niemand so schnell übernehmen kann“, fügt Eva-Maria Menard hinzu. Kasualien übernehmen Amtsgeschwister.Sieben Kirchen geschlossenIn Bielefeld in Nordrhein-Westfalen, dem am stärksten betroffenen Bundesland, sind seit vergangenen Sonntag wegen des Coronavirus ­sieben katholische Kirchen geschlossen. Der Grund sei eine bestätigte ­Infektion mit dem Virus im Pastoralteam, teilte der Pastoralverbund Bielefeld-Ost auf seiner Internetseite mit. Am Samstag hatte die Stadt die ersten zwei Erkrankungen in Bielefeld bestätigt. Ein 53-jähriger Gemeindereferent des katholischen Pastoralverbundes und eine 47-jährige Altenpflegerin hätten sich ­offenbar bei einer Israelreise beim Busfahrer mit dem Virus infiziert. Im Evangelischen Kirchenkreis Bielefeld ist eine Schließung von Kirchen, Gemeindehäusern und Einrichtungen oder die Absage größerer Veranstaltungen bislang nicht geplant, so Superintendent Christian Bald. Der Kirchenkreis Unna teilte aber die Schließung der Evangelischen Kindertagesstätte Arche Noah in Bergkamen bis zum 18. März wegen eines infizierten Kindes mit. Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DWBO) versendete Anfang voriger Woche an alle evangelischen Kitas die Informationen des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport und des Berliner Senats zum Corona-Virus. Bei Verdachts- oder Krankheitsfällen muss das zuständige Gesundheitsamt informiert werden, auch in Einrichtungen der Kinder und Jugendhilfe. Das DWBO traf auch Maßnahmen für seine Mitglieder, darunter viele Pflegeeinrichtungen, teilt Pressesprecherin Susanne Gonswa mit. „Mitarbeitende, Kunden und Bewohner werden über Hygienemaßnahmen sowie Symptome, die auf das Coronavirus hindeuten könnten und Möglichkeiten zur Abklärung bei Verdachtsfällen informiert.“ Impfungen gegen Pneumokokken und Keuchhusten für chronisch Kranke oder Personen über 60 Jahren seien empfohlen worden, um Komplikationen im Falle einer Erkrankung zu reduzieren.Das Evangelische Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) betreibt seit Montag eine Abklärungsstelle für Corona-Verdachtsfälle. Sie befindet sich in einem separaten Gebäude, dem Haus 19, auf dem Gelände der Klinik im Berliner Bezirk Lichtenberg. Gleichzeitig sagt das KEH aus Vorsicht alle Publikumsveranstaltungen im März ab.  Corona-Tests statt Gottesdienst gibt es künftig in Basel. Seit Montag werden im Auftrag des Universitätsspitals in der 750 Jahre alten Predigerkirche Menschen auf das Coronavirus getestet. Weil die Kirche in unmittelbarer Nähe zur Notfallstation des Spitals liege, sei eine Außenstelle als Corona-Teststation eingerichtet worden. Nach der Nutzung werde die Kirche desinfiziert und gereinigt. Auch Pilgerreisen auf den Spuren Jesu sind derzeit nicht möglich. ­Israel hat ein Einreiseverbot für Reisende aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Spanien und der Schweiz verhängt. Ausnahmen werden nur gemacht, wenn eine private Quarantäne-Unterkunft für 14 Tage nach­gewiesen werden kann.