Der „Wall Street Journal“-Korrespondent Evan Gershkovich ist in Russland wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil des Gerichts in Jekaterinburg sei nach nur drei Verhandlungstagen gefallen, berichtete die in New York ansässige Tageszeitung am Freitag (online).
Gershkovich seien nur wenige der Schutzmaßnahmen gewährt worden, die Angeklagten in den USA und anderen westlichen Ländern normalerweise zugestanden werden, kritisierte die Zeitung, die sämtliche Anschuldigungen als falsch bezeichnete. Der Reporter war im März 2023 festgenommen worden und hatte seitdem im Moskauer Lefortowo-Gefängnis in Untersuchungshaft gesessen.
Das Urteil löste international scharfe Kritik aus. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte im Netzwerk X: „Journalismus ist kein Verbrechen, und die Wahrheit lässt sich nicht wegsperren.“ Die Verurteilung Gershkovichs zeige die Angst des russischen Präsidenten Wladimir Putin vor der Kraft von Fakten. „Das Urteil ist politisch motiviert und Teil von Putins Kriegspropaganda“, schrieb Baerbock.
„Reporter ohne Grenzen“ zeigte sich empört. Das Urteil sei „das Ergebnis eines Prozesses, der in keiner Weise als fair oder frei angesehen werden kann“, erklärte Rebecca Vincent, Direktorin für internationale Kampagnen der Journalistenorganisation, in Paris. Die US-Regierung müsse alles für die Freilassung Gershkovichs tun. „Reporter ohne Grenzen“ spekulierte, das Vorgehen gegen Gershkovich könne „ein Manöver der russischen Regierung sein, um einen Geiselaustausch mit den Vereinigten Staaten zu ermöglichen“.
Gershkovich ist Sohn jüdischer Emigranten aus der Sowjetunion und wuchs im US-Bundesstaat New Jersey auf. Er spricht fließend Russisch. Der 32-Jährige war 2022 zum „Wall Street Journal“ gewechselt, zuvor hatte er für die französische Nachrichtenagentur AFP und die „New York Times“ gearbeitet.