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Urteil: Schwer psychisch kranken Asylbewerbern muss geholfen werden

Psychisch erkrankte und traumatisierte Asylbewerber müssen bei einem akuten Behandlungsbedarf medizinische Hilfe erhalten können. Liegt eine schwere Depression mit Suizidgefahr vor, müssen Sozialhilfeträger die unaufschiebbare stationäre Therapie als „akute Erkrankung“ bezahlen, urteilte am Donnerstag das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. (AZ: B 8 AY 3/23 R)

Im Streitfall ging es um einen afghanischen Asylbewerber, der im Sommer 2018 in Deutschland eine Duldung erhielt. Wegen einschneidender Fluchterlebnisse und eines Suizidversuchs eines Mitbewohners in einer Flüchtlingsunterkunft im Raum Hildesheim entwickelte sich bei dem Flüchtling eine psychische Erkrankung. Er stellte sich daraufhin bei einem Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge in Hannover vor. Die empfohlene Teilnahme an einer ambulanten Stabilisierungsgruppe nahm er nicht wahr, da der Landkreis Hildesheim die Fahrtkosten nicht übernehmen wollte.

Im März 2019 wurde der Mann in einer psychiatrischen Klinik wegen des Verdachts auf eine schwere depressive Episode mit Suizidgefahr und eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als Notfall für rund einen Monat stationär aufgenommen. Die Behandlungskosten in Höhe von 8.993,96 übernahm der Landkreis nicht.

Es handele sich nicht um eine „akute“, sondern nur um eine chronische Erkrankung, erklärte der Sozialhilfeträger. Die Kosten für eine medizinische Behandlung von Asylbewerbern könnten aber nur übernommen werden, wenn es sich um eine akute Erkrankung oder um Schmerzzustände handele. Die ärztliche und zahnärztliche Behandlung müsse zudem „erforderlich“ sein.

Das sei hier der Fall gewesen, urteilte das BSG. Ein psychiatrischer Facharzt habe mit der schweren depressiven Episode und der PTBS einen Notfall erkannt, der sofort behandelt werden müsse. Zwar handele es sich bei Depressionen um eine chronische Erkrankung. Der Sozialhilfeträger müsse aber für die stationäre Aufnahme zahlen, wenn auch bei einer chronischen Erkrankung ein „akuter Behandlungsbedarf“ besteht und die Behandlung „unaufschiebbar“ ist.