“Eine Nussmischung hätte ich gerne. Wie mache ich das?” Im Eingang von Utes Volkerts Laden steht ein älterer Herr, etwas verloren, mit einem leeren Weckglas. Volkert zeigt ihm den Kolben mit den Mandeln: “Hier können Sie sich welche abfüllen.” Sie dreht den Hahn am unteren Ende auf. In das Glas klackern Nüsse. “Manchen muss man noch erklären, wie unser Laden funktioniert”, sagt Volkert, die von ihren Stammkunden aus dem Viertel nur “Ute” genannt wird.
Die “Streubar” in Hamburg ist einer von mehr als 200 Unverpackt-Läden in Deutschland. Produkte bieten sie lose an. An den Wänden in Utes Laden hängen Dutzende Glaskolben mit Körnern, Müsli und Reis. Auf den Tischen stehen offene Behälter mit Pasta, Lakritzen, Duschkugeln, Öl und Flüssigwaschmittel. Kunden können die Ware nach Bedarf in wiederverwendbare Behälter füllen. Die Anbieter wollen damit Müll vermeiden. Besonders gefragt sind in der Kundschaft Kaffee und Nüsse.
Vor allem Jüngere setzen auf Unverpackt
Auf Nachhaltigkeit legen viele Verbraucher Wert. In einer aktuellen GfK-Umfrage gaben rund zwei Drittel aller Befragten an, dass sie Unverpackt-Stationen kennen. Knapp 30 Prozent können sich demnach vorstellen, dort zu kaufen. “Wir sehen, dass vor allem junge Menschen Interesse an Unverpackt-Stationen haben”, sagt Petra Süptitz, Konsumforscherin der GfK, das heißt, die Zielgruppe der 18- bis 30-Jährigen. Kunden haben im Durchschnitt oft relativ hohe Einkommen, Kinder, eine hohe Bildung.

Die Zahl der Unverpackt-Läden in Deutschland hat in den vergangenen zwei Jahren allerdings deutlich abgenommen. Noch 2022 hatte der Verband Unverpackt 337 Mitglieder. Im Juli 2024 lag die Zahl bei 217. Der erste Unverpackt-Laden in Deutschland öffnete 2014 in Kiel; Ende 2022 musste er schließen. Ungefähr 70 bis 80 Prozent aller Mitglieder, so heißt es auf Nachfragen bei der Pressestelle, gäben ihr Geschäft innerhalb der ersten fünf Jahre wieder auf. Der Verband begründet das mit der anhaltenden Inflation. Viele Unternehmer starteten mit falschen Erwartungen und Fehlkalkulationen.
Erfolgreicher Start mitten im Lockdown
Auch in Hamburg musste ein knappes Dutzend Läden schließen. Wer durchhielt, hat heute allerdings nur wenig Konkurrenz. Manche Läden konnten sich sogar erweitern: Die Hamburger Firma Muttels etwa übernahm zwei Läden, die wegen finanzieller Probleme zumachten. Heute verfügt sie in der Hansestadt über vier Standorte.
Auch die “Streubar” profitierte. Die Inhaberinnen starteten ihren Verkauf mitten im Corona-Lockdown. “Für uns hat das gut funktioniert”, sagt Ute. “Viele Hamburger mussten plötzlich zu Hause kochen, kauften häufiger ein.” Seit 2020 hat der Laden sein Produktangebot vervierfacht. Erst mit dem russischen Angriff auf die Ukraine gingen die Umsätze zurück. Manche schreckten die Preise ab.
Teures Image und Mehraufwand
Unverpackt-Läden gelten unter Verbrauchern oft als teurer im Vergleich zu Supermärkten und Discountern. Nicht alle Nahrungsmittel aus dem täglichen Bedarf sind verfügbar. Früher hatte die “Streubar” auch Obst und Gemüse, aber es rechnete sich nicht. “Dazu gehen die Kunden doch lieber in den Supermarkt. Am Ende siegt die Trägheit”, sagt Ute. Um alle Einkäufe zu leisten, müssten Kunden zu unterschiedlichen Märkten. “Nicht jeder möchte so viel Zeit aufbringen”, sagt Süptitz. “Außerdem muss man eigene Behälter mitbringen, den Einkauf also besser planen.”
Das Interesse an Nachhaltigkeit hat laut Marktforschung in den vergangenen Jahren unter Verbrauchern deutlich abgenommen. “2019 lag der Klimawandel noch auf Platz eins aller Sorgen der Deutschen”, sagt Süptitz. “Durch die Inflation geriet er aber in den Hintergrund und belegt heute Platz vier.” Viele Deutsche klagten zudem über steigende Preise; ein Großteil kaufe deshalb lieber bei Discountern. Auch einige Supermärkte testen inzwischen Unverpackt-Stationen für Reis, Nudeln oder Müsli. Discounter werben mit verpackungsfreiem Gemüse und Obst – und werden damit für Unverpackt-Läden zur Konkurrenz.

Das Unverpackt-Konzept noch bekannter machen
Manch ein Unverpackt-Laden versucht sich daher mit einem eigenen Verkaufskonzept abzugrenzen. In Frankreich sind solche recht erfolgreich. “Die Umsetzung ist eine andere als hier”, sagt Süptitz. “Ähnlich wie bei unseren Wochenmärkten landen dort Produkte frisch vom Feld.” Ohne Zwischenstufen seien die Preise vergleichsweise günstig. Unverpackt-Läden, so Süptitz, gelten in Frankreich deshalb in der Wahrnehmung der Verbraucher sogar als günstiger als Supermärkte.