Die Arte-Serie “Eingelocht” spielt sechsmal 15 Minuten auf einem Minigolfplatz, wo wechselnde Figuren zwischen Loch 1 und Loch 18 wahrhaftige Sorgen und Nöte durchspielen. Das ist nie banal, dafür umso unterhaltsamer.
Und Größe zählt doch! Wer oder was warum auch immer geringere Abmessungen hat als andere, steht schließlich schnell im Ruf der Unvollkommenheit. Kleine Autos gelten als unfallgefährdet, kleine Ortschaften als provinziell, kleine Portionen als unzureichend, kleine Menschen als durchsetzungsschwach. Und da war noch nicht mal vom Minigolf die Rede. Verglichen mit Maxigolf auf kleinstadtgroßer Fläche ist die Spielplatzversion “banal.” Banal?
Welch ein Affront! Vor allem aber: welch ein Irrtum! Findet zumindest Chacha (Rosa Bursztein), die sich mit ihrem Mann (Nicolas Bernot) gerade auf der “Tour de France de Minigolf” zwischen Nordsee und Mittelmeer, Alpen und Atlantik befindet. Bislang 1.486 Plätze in zwei Jahren, also zwei pro Tag. Bei Wind und Wetter. Dafür haben die zwei Finanzbeamten nicht nur unbezahlten Urlaub genommen, sondern praktisch “alles geopfert”, wie Chacha den Banalitätsvorwurf abbügelt. Und zwar aus gutem Grund.
Denn Minigolfplätze, erzählt sie dem Lokalreporter Hadrien (Edouard Sulpice) auf ihrer Schluss-Etappe, “sind wie Menschen”. Jeder sei anders. Auch Nummer 1.487 also, auf den wir das Paar zu Beginn der Arte-Serie “Eingelocht” begleiten. Zwischen Bahn 1 und 18 einer grünen Betonoase irgendwo im Nirgendwo Frankreichs erzählt es jedoch nicht nur vom gernegroßen Kleinstvernügen ganz gewöhnlicher Leute. Maximal knackige 15 Minuten pro Folge malen Maxime Chamoux und Sylvain Gouverneur ein Fernsehgemälde auf Kinoformat.
Vor vier Jahren haben die beiden Filmemacher ähnlich alltägliches Serienpersonal 50 erfolgreiche Episoden lang Tag für Tag für Tag Punkt “18:30” auf dem Heimweg vom Büro zur Bushaltestelle begleitet. Jetzt suchen sie erneut nach dem Ganzen im Halben und werden auf der leicht angejahrten Anlage von Managerin Sylvie ebenso bezaubernd fündig. Zum Auftakt etwa bittet der Personalchef Gilles die alleinerziehende Faiza zum Bewerbungsgespräch, wo sie zwischen Abschlag und Loch zugleich Siegeswillen und Teamgeist beweisen soll.
Später lädt der unsichere Single Gautier seine alleinerziehende Internet-Bekanntschaft Claire zum ersten Date hierher und kriegt es nebenbei mit ihrem Sohn sowie einem Hund zu tun. Davor spielt Cecile gegen ihre Schwester darum, wer von beiden dem kranken Bruder ein Organ spendet. An diesen und anderen Stellen wird “Eingelocht” endgültig zur federleichten Gesellschaftsstudie von fast philosophischer Tiefe.
Das Besondere an diesem Kleinod mikrosozialer TV-Unterhaltung besteht dabei darin, dass der Minigolfplatz nicht bloß ein drolliger Drehort ist, dem sechs Folgen lang wahllos Geschichten übergestülpt werden. Wie Amazon Primes “Discounter” im Hamburger Vorstadtsupermarkt, wie der Brandenburger Bäckereiwagen “Tina Mobil”, wie das Bestattungsinstitut von “Six Feet Under” oder zuletzt ein Marzahner Nagelstudio als Refugium widerstandsfähiger Wohlstandsverlierer: Auf Sylvies Minigolfplatz verbinden sich kleine bis große Dramen organisch mit dem Belag darunter und umgekehrt.
Alle sechs Episoden sind abgeschlossen, aber lose verzahnt. Und auch wenn es oft lustig zugeht, mündet es nie in billigen Slapstick. Dafür sorgen schon die fabelhaften Darstellerinnen und Darsteller, denen man ihre Figuren jederzeit abkauft. Was wiederum an Drehbüchern liegt, in denen Chamoux und Gouverneur eine Komödiengrundregel beherzigen: Nimm die Handlung und ihre Pointen nicht wichtiger als die Figuren und ihre Persönlichkeiten.