Artikel teilen:

Unter dem Dach der Rheinsberger Kirche hausen Fledermäuse

Die St. Laurentius-Kirche im brandenburgischen Rheinsberg hat besondere Gäste: Unter dem Dach bringen Fledermäuse ihre Jungen zur Welt. Mit einer Rettung fing alles an.

Fledermaus Große Mausohr am Nachthimmel
Fledermaus Große Mausohr am NachthimmelImago / Imagebroker

Es gibt Orte, die der Öffentlichkeit weitgehend verschlossen bleiben. Dazu gehören vor allem die Dachböden von privaten Häusern. Aber auch die Dachräume von Kirchen und anderen öffentlichen Gebäuden sind nicht für alle zugängig. Doch hin und wieder gibt es Ausnahmen. So können zu bestimmten Anlässen Besucherinnen und Besucher einen Blick in den Dachraum der Rheinsberger St. Laurentius-Kirche werfen.

St. Laurentiuskirche in Rheinsberg/ Brandenburg
St. Laurentiuskirche in Rheinsberg/ BrandenburgIMAGO / Zoonar

Zum Beispiel bei einer Führung mit der Diplom-Restauratorin Sandra Bothe. Der Aufstieg unter das Dach des Gotteshauses ist beschwerlich. Mit 70 Zentimetern Breite, extrem schmalen Stufen und einem dicken Seil als Geländer führt der Weg über eine steinerne Wendeltreppe innerhalb der westlichen Außenmauer des Kirchenschiffes nach oben. Die Enge wirkt beklemmend.

Kothaufen verraten die Fledermäuse

Auf der ersten Turmebene angekommen, öffnet sich der Blick in das Dunkel. Aufmerksam lauscht die Gruppe den Ausführungen von Sandra Bothe, die zur Geschichte der Kirche, zu den Glocken und zur Bauweise des Gotteshauses jede Menge erzählen kann. Dann geht es in den Dachraum, der über Kirchenschiff und Chor liegt. Von hier können die gewaltige Dachkonstruktion des 18. Jahrhunderts und die Kreuzgratgewölbe des Renaissance-Umbaus bestaunt werden. Dort gibt es einen Steg mit Geländer, auf dem ausreichend Platz ist. Licht spenden mitgebrachte Taschenlampen und Handys.

Winterstube des "Großen Mausohr" unter dem Dach
Winterstube des "Großen Mausohr" unter dem DachIMAGO / Imagebroker

Auffällig sind über den Balken und Deckengewölben verteilte kleine schwarze Häufchen zu erkennen. „Es ist der Kot von Fledermäusen, die unter dem Kirchendach zu Hause sind“, erklärt Bothe, die mit Kolleginnen und Kollegen vor vier Jahren den Innenraum der Kirche restauriert hat. Auf dem weiteren Weg entdecken die Teilnehmer der Führung die Spuren eines ehemaligen Schornsteins, eine Stelle, an der Reste eines sogenannten mittel­alterlichen Lanzettfensters zu erkennen sind, und ein angekohlter Balken, der an einen der zahlreichen Stadtbrände erinnert. Interessant sind auch die Ausführungen Bothes darüber, wie die Decken­gewölbe beim Umbau der Kirche im 16. Jahrhundert entstanden sind.

Fledermaus Henriette gerettet

Doch das ist längst nicht alles. Zum Schluss gibt es noch die Geschichte von Henriette, einer Fledermaus, die Sandra Bothe im Juli 2018 vor dem Tod bewahrte. Sie hatte das Tier vor der Brauthalle gefunden und festgestellt, dass es noch lebte. Vorsichtig in einen Karton gepackt, flößte die Restaura­torin dem erschöpften Tier mittels einer Injektionsspritze Wasser ein. Danach informierte sie die Naturschutzstation Zippelsförde unweit von Neuruppin von ihrem Fund. Die schickten mit Andreas Böse einen Fachmann, der sich des Tieres annahm. „Von Andreas erfuhr ich, dass es sich um ein Großes Mausohr und eine säugende Mama handelt, die vermutlich ein Junges zu versorgen hatte“, berichtet Bothe. „Eine Pflegeperson hat sich später um das Tier gekümmert, das eine offene Bauchverletzung hatte und nicht mehr ausgewildert werden konnte. Es hat noch zwei Jahre gelebt.“ Der Fund des Tieres führte in der Folgezeit dazu, dass sich die Naturschützer für die Fledermaus-Population unter dem Rheinsberger Kirchendach zu interessieren begannen.

Das Große Mausohr fühlt sich unter dem Dach wohl

Ein Volltreffer: Hinsichtlich der Anzahl der unter Schutz stehenden Tiere wurde die Rheinsberger Kirche als größte Wochenstube des Großen Mausohres im Land Brandenburg eingestuft.

Inzwischen wurden die Tiere, die im Sommer unter dem Kirchendach ihre Jungen großziehen, sogar gezählt. Während im April dieses Jahres 84 Muttertiere registriert wurden, konnten Ende August 111 Tiere geortet werden. Demnach wurde gut ein Drittel der Jungtiere erfolgreich aufgezogen – ein erfolgreiches Jahr für die größte lebende Fledermausart in Brandenburg.

Fledermaus Henriette ist jetzt Maskottchen der Kirche

Inzwischen hat Henriette den Status als Maskottchen für die Rheinsberger Kirche erlangt, indem sie es als Protagonistin in den neuen Kinderkirchenführer geschafft hat. Für Rheinsbergs Pfarrer Christoph Römhild und die Gemeinde sind die Fledermäuse in der Kirche Segen und Wunder der Natur.