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UN-Vertreter Müller für Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit

Deutschland lasse Chancen liegen, meint der Leiter der Weltentwicklungsorganisation Unido, Gerd Müller – während China, Japan und die Türkei längst investierten.

Der Leiter der Weltentwicklungsorganisation Unido, Gerd Müller, wirbt für eine Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit. Das Entwicklungsministerium müsse zu einem “Ministerium für Außenwirtschaft und Entwicklung” weiterentwickelt werden, sagte der frühere CSU-Bundesentwicklungsminister der “Schwäbischen Zeitung”. Ziel müsse sein, deutsche Interessen, Wachstumsmärkte und humanitäre Hilfe stärker zu verbinden.

Gerade auf dem afrikanischen Kontinent sieht der 70-jährige Müller, der im November für eine weitere Amtszeit bestätigt werden soll, große Potenziale. Bis zu 100 Millionen neue Arbeitsplätze könnten dort in den kommenden Jahrzehnten entstehen – “direkt vor unserer Haustüre”, so Müller. Deutschland lasse Chancen liegen, während China, Japan und die Türkei längst investierten.

Zugleich warnt der Unido-Generaldirektor vor Stillstand in Deutschland: “In Deutschland liegt Mehltau über dem Land. Man diskutiert viel und handelt weniger.” Mehr Mut, flexible Arbeitszeiten und steuerliche Anreize seien nötig, um Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) stellt an diesem Dienstag bei einer Wirtschaftskonferenz einen “Aktionsplan für Wirtschaft und Entwicklung vor”. Auch sie will die Interessen und Kompetenzen der deutschen Wirtschaft künftig stärker bei der Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigen.

Zuletzt hatte Müller der “Augsburger Allgemeinen” gesagt, Europa und Afrika hätten gemeinsame Interessen etwa bei der Weiterverarbeitung von kritischen Mineralien wie Kobalt und Coltan, die unerlässlich für Digitalisierung und erneuerbare Energien seien. Er sehe aber kaum eine europäische Firma dort. Sein Fazit: “Wenn wir uns nicht engagieren, vergeben wir nicht nur ökonomische Chancen; wir verlieren auch geopolitischen Einfluss. Und der Flüchtlingsdruck wird zunehmen.”

Müller war von 2013 bis 2021 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Seither leitet er die Unido in Wien, die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung.