Sie sollen Frieden schaffen, doch werden manchmal selbst zu Tätern: Immer wieder wird Blauhelmsoldaten der Vereinten Nationen vorgeworfen, sie würden Frauen im Rahmen ihrer Einsätze sexuell ausbeuten – oder sogar missbrauchen. Vergangenes Jahr wurden den Vereinten Nationen 102 Verdachtsfälle aus Friedenseinsätzen und politischen Missionen gemeldet, zwei mehr als 2023. Davon betrafen 27 Fälle Kinder, wie aus einem UN-Bericht hervorgeht.
Insgesamt elf Friedenseinsätze der Vereinten Nationen laufen derzeit, unter anderem im Libanon, der Demokratischen Republik Kongo oder auf Zypern. Jedoch entfielen 2024 etwas mehr als 80 Prozent der Vorwürfe auf die Einsätze im Kongo und der Zentralafrikanischen Republik. Der Blauhelmeinsatz im Kongo besteht seit 1999, in der Zentralafrikanischen Republik seit 2014. Tausende Soldaten, Polizisten und zivile Kräfte sind jeweils im Einsatz, um die Konflikte in den beiden Ländern zu befrieden.
Für Schlagzeilen sorgte auch der 2017 beendete UN-Friedenseinsatz im Karibikstaat Haiti. Nicht nur wurden Blauhelmsoldaten für den Ausbruch einer Cholera-Epidemie verantwortlich gemacht. Auch soll es Fälle von sexuellem Missbrauch gegeben haben.
Über die Zukunft der Friedenssicherung wird am Dienstag und Mittwoch bei einer internationalen Konferenz in Berlin diskutiert. Fälle sexuellen Missbrauchs zu verhindern, ist Fachleuten zufolge nicht leicht. Menschen, die rund um die Missionen leben und zu deren Schutz die Einsätze stattfinden, befänden sich oft in prekären Lebenslagen, erklärt die australische Konfliktforscherin Jasmine Westendorf. Sie hätten häufig nicht genug zu essen, keine Jobs und seien vor Gewalt geflohen. Rund um Vertriebenen-Camps entwickelten sich häufig Kriegswirtschaften, in denen Sex gegen Leistung angeboten werde.
Die Professorin aus Melbourne mahnt einen Haltungswechsel beim Führungspersonal an. Sie berichtet etwa von einem Vorgesetzten in einer Friedensmission, der junge Soldaten beiseitegenommen habe, wenn diese ihm aufgefallen seien. Er habe dann offen mit ihnen darüber gesprochen, was Beziehungen mit Frauen in extrem abhängigen Situationen bedeuteten und welche Verantwortung sie tragen. Solches Verhalten müsste Schule machen, sagt Westendorf.
Probleme gibt es auch bei der Aufklärung von Vorwürfen und der juristischen Verfolgung. Für Einsatzkräfte aus Militär oder Polizei ist das Land zuständig, das die Truppen entsandt hat. Ein schwedischer Soldat müsste zum Beispiel in Schweden vor Gericht gestellt werden, ein Mitglied der tansanischen Streitkräfte in Tansania. Beweise müssen nach der jeweiligen Rechtsprechung geliefert werden.
Die Zivilbevölkerung habe kein Vertrauen in Strukturen, geschweige denn Hoffnung, dass ihnen geholfen werden könnte, sagt Gretchen Baldwin, die beim Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri zu Genderfragen und Friedensmissionen forscht. Informationen über UN-interne Meldeprozesse seien zudem für Betroffene oft schwer zugänglich.
Aus ihrer Forschung weiß Baldwin, dass Mitarbeitende bei den UN oft von Missbrauchsfällen wissen, aber aus Angst vor Vergeltung, Jobverlust und sonstiger Bestrafung den Fall nicht bei ihren Vorgesetzten melden. Bei Männern gebe es zudem eine gewisse „Boys Club“-Dynamik, durch die Täter zueinander halten.