Bewegung in den diplomatischen Gesprächen, aber kein Durchbruch: Erzbischof Bentz glaubt nicht, dass Frieden für die Ukraine schon zum Greifen nah ist. Er fordert ein Ende der Kämpfe und verlässliche Garantien für Kiew.
Die diplomatischen Bemühungen um einen Frieden für die Ukraine laufen derzeit auf Hochtouren und sind zur internationalen Chefsache geworden. Steht der Durchbruch vor der Tür? Der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Erzbischof Udo Markus Bentz, warnt vor vorschnellen Erwartungen. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agntur (KNA) formulierte der Paderborner Erzbischof am Donnerstag, was jetzt erst Priorität haben muss und welche Rolle Gebietsabtretungen spielen.
Frage: Herr Erzbischof Bentz, wie beurteilen Sie die aktuellen diplomatischen Entwicklungen – könnte ein Durchbruch gelingen, der der Ukraine den Frieden bringt?
Antwort: Es ist gut, dass Bewegung in die Gespräche gekommen ist. Aber machen wir uns nichts vor: Es ist im besten Fall der Beginn eines langen Prozesses. Ich bin skeptisch, ob ein echter Durchbruch greifbar nahe ist.
Frage: Wo sollten aus Ihrer Sicht die Prioritäten bei den Verhandlungen liegen?
Antwort: Die Situation ist vertrackt und komplex. Ich habe nur die Perspektive von außen. Aber es ist klar: Jeden Tag sind neue Opfer zu beklagen. Die Einstellung der Kampfhandlungen muss erste Priorität haben. Ebenso sind verlässliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine unabdingbar. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Sicherheitsgarantien des Budapester Memorandums von 1994 wird sich die Ukraine ganz sicher nicht nur mit Worten zufriedengeben können. Ich gehe davon aus, dass die Garantien auch eine militärische Dimension haben werden. Aber all das kann bestenfalls eine Grundlage für den weiteren Prozess legen.
Frage: Können Gebietsabtretungen die Lage tatsächlich befrieden oder kommt man damit Putins imperialen Ansprüchen zu weit entgegen?
Antwort: Ich befürchte, dass sich das nicht so prinzipiell beantworten lässt. In einer idealen Welt würde es gar keine Gebietsabtretungen geben, sondern die Russische Föderation würde sich zurückziehen. Damit ist nicht zu rechnen. Russland ist weiterhin ein autoritäres imperialistisches Regime. Doch es ist schon etwas gewonnen, wenn man den imperialen Angriff in seine Schranken verweist und endlich zum Stoppen bringt. Dabei können Gebietsabtretungen vielleicht eine Rolle spielen. Dann wird es darauf ankommen, was man mit dieser Situation macht.
Frage: Denken Sie, dass es möglich ist, in der Ukraine so etwas wie einen gerechten Frieden zu schaffen?
Antwort: Einen gerechten Frieden in der Ukraine wird es langfristig nur geben können, wenn es einen grundlegenden Wandel in Russland gibt. Dazu ist das Überleben der Ukraine als demokratischer Staat aber von unverzichtbarer Bedeutung. Jetzt gilt es erstmal, die Gewalt zu reduzieren, die Ukraine aus dem Griff des Krieges zu befreien und ihr eine gesicherte Entwicklungsperspektive zu verschaffen.
Frage: Und was braucht es, um einen stabilen Frieden zu schaffen?
Antwort: Neben dem Wiederaufbau und der wirtschaftlichen Entwicklungsperspektive braucht es eine geduldige langfristige Unterstützung der Heilungsprozesse in der Ukraine.
Frage: Können die Kirchen aus Ihrer Sicht etwas dazu beitragen?
Antwort: Auf jeden Fall. Und wir tun es auch schon. Wir haben in den letzten Jahren gelernt, wie wichtig es ist, verlässlich an der Seite unserer Partner zu sein. Es geht um Zuhören, aber auch um praktische Unterstützung. Es ist entscheidend, in Beziehung zu bleiben, selbst wenn die von tiefen Verletzungen getriebene Kommunikation von vielen Vorwürfen auch an den Westen begleitet ist.
Ich sehe die Versuchung, dass unsere Öffentlichkeit sich anderen Fragen zuwendet, wenn der Stress der russischen Aggression vorbei ist. Das wäre bitter für unsere Partner. Wir sollten gerade auch in der Zeit nach dem Krieg verlässlich an ihrer Seite stehen. Aber noch ist der Krieg leider nicht vorbei.