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“Überraschungen im Alltag sorgen für einen Valentinseffekt”

Am 14. Februar (Mittwoch) wird der Tag der Liebe, der Valentinstag, gefeiert. Martin Schuster, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter der Psychologischen Beratungsstelle Brückenstraße in Tübingen, gibt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) Beziehungstipps für den Alltag zu zweit.

epd: Herr Schuster, am 14. Februar ist Valentinstag. Ist er aus Ihrer Sicht wichtig für die Beziehung von Paaren?

Martin Schuster: Ich finde, der Valentinstag ist ein schöner Anlass für eine kleine Aufmerksamkeit, ein kleines Zeichen der Liebe im Alltag. Er sollte aber keinen Erwartungsdruck erzeugen, nach dem Motto: Ich muss an diesem Tag unbedingt meiner Partnerin oder meinem Partner Blumen oder anderes schenken. Wenn eine kleine Aufmerksamkeit angesagt ist, dann kann ein Valentinsgeschenk neben Blumen auch etwas selbst Gemachtes sein, eine handgeschriebene Karte oder eine andere kreative Idee. Und: Natürlich ist es auch an anderen Tagen im Jahr schön, dem anderen seine Zuneigung und Anerkennung zu zeigen.

epd: Was können Paare tun, um in ihren Alltag „Valentinstags-Momente“ zu integrieren?

Schuster: „Erfrischend“ ist es, im Alltag den anderen auch mal zu überraschen und Unvorhergesehenes zu machen. Zum Beispiel eine Mondschein-Wanderung, ein leckeres selbst zubereitetes Abendessen servieren, ein Glas guten Wein genießen oder ein gemeinsamer Theaterbesuch. Wenn ich gewohnte Muster durchbreche, dann kann das dazu beitragen, die Beziehung aufzufrischen und einen „Valentinseffekt“ zu erleben. Aber genauso wichtig sind Rituale, wie der Kuss am Morgen, sich in den Arm zunehmen oder dem Partner einen Kaffee zu machen – etwas, das den Alltag verschönert.

epd: Sie sind Leiter der Psychologischen Beratungsstelle Brückenstraße, einer Einrichtung in kirchlicher Trägerschaft – und bieten dort auch Paarberatung an: Was sind die Themen, mit denen Paare zu Ihnen kommen?

Schuster: Etwa 80 Prozent der Paare, die zu uns kommen, geben an, Kommunikationsprobleme zu haben, eine ebenfalls große Zahl klagt über eskalierendes Streitverhalten und Auseinanderleben.

epd: Kommunikation scheint demnach ein großes Thema in Partnerschaften zu sein. Wie kann man lernen, gut miteinander zu kommunizieren?

Schuster: Das Wichtigste ist, im Gespräch zu bleiben, und sich im Alltag nicht nur über Organisatorisches zu unterhalten, wie: Wer kauft ein, wer kümmert sich um den Haushalt, sondern sich mitzuteilen. Damit der andere weiß, was treibt mich gerade um, was sind meine Sorgen und Freuden, wie schaue ich gerade auf meinen Alltag, mein Leben, auf die Partnerschaft. Oft reicht es schon, sich eine halbe Stunde Zeit zu nehmen und sich gegenseitig zuzuhören, das ist von unschätzbarem Wert. Wichtig ist auch, die eigenen Bedürfnisse zu äußern, und ehrlich zu sagen, was einen frustriert – auch wenn man dem Partner dann die Freiheit lassen muss, ob und wie er darauf reagiert.

epd: Und was ist, wenn es mal nicht so Valentinstagmäßig läuft, und man in einer Krise steckt?

Schuster: Krisen gehören in Partnerschaften dazu, es kann nicht immer alles harmonisch sein. Wichtig ist, bei einem Problem zu schauen, ob das Gespräch konstruktiv bleibt, oder lieber unterbrochen werden sollte, weil es nicht weiterbringt. Manchmal hilft es, das Thema erst wieder am nächsten Tag oder am Wochenende aufzugreifen, wenn mehr Zeit ist, wenn ein sachliches Gespräch wieder möglich ist. Wenn die Krise länger dauert, ist es vielleicht auch mal angesagt, beispielsweise gemeinsam übers Wochenende wegzufahren um dann im Gespräch an den heiklen Themen „dran bleiben“ zu können.

epd Wie wichtig, ist es, sich beim Partner nach Konflikten zu entschuldigen?

Schuster: Verzeihen ist in Partnerschaften, aber auch in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen das A und O. Es gibt Streit, man hat sich nicht immer so im Griff, es kommt in Konflikten auch mal zu Anschuldigungen und zu Verletzungen und da ist es wichtig, sich und dem anderen, eigene Fehltritte einzugestehen und sich dafür zu entschuldigen, oder noch besser: den anderen um Verzeihung zu bitten. Danach kann man in einem weiteren Schritt überlegen, ob es neben den Worten auch eine Wiedergutmachung braucht, etwas Greifbares, damit das Gegenüber merkt: Mir ist es ernst, mir tut es leid.

epd: Wann würden Sie sagen, ist die rote Linie erreicht, wo man sich Hilfe von außen holen sollte?

Schuster: Das kann sehr unterschiedlich sein. Zum Beispiel, wenn nach einem halben Jahr des Streitens und Ringens immer noch keine Annäherung stattfindet und immer wieder dasselbe Thema auftritt, und man merkt, man kommt aus eigener Kraft nicht mehr aus diesen Mustern heraus, dann ist es hilfreich, sich für eine bestimmte Zeit Hilfe und Beratung zu holen. Oft reichen eine Handvoll Termine, um die Probleme zu lösen. Je früher man die Probleme mit Hilfe von außen angeht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, wieder aus ihnen herauszukommen.

epd: Haben Sie zum Schluss noch einen letzten Beziehungstipp?

Schuster: Es ist schön, wenn man sich in einer Partnerschaft immer wieder gegenseitig dazu einlädt, etwas gemeinsam zu machen. Aber wichtig ist auch, dass ich meinem Partner und auch mir selbst Zeit zugestehe, die man für sich hat, um eigenen Hobbys nachzugehen, oder eigene Freundschaften zu pflegen. Anziehung gibt es nur, wenn es auch Abstand und Unterschiede gibt. Diesen Raum sich gegenseitig zu lassen, unabhängig vom Anderen, das macht wieder Lust und Neugier auf den anderen. (0301/09.02.2024)