Predigttext am Vorletzten Sonntag im Kirchenjahr:
Matthäus 25, 31-46
31 Wenn aber der Menschensohn kommen wird (…), dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, 32 und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. (…) 34 Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! (…) 37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? 38 Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet? 39 Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? 40 Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: (…) Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (in Auswahl)
Von Matthias Büchle
Könnte es sein, dass Sie heute schon Jesus begegnet sind, und es gar nicht gemerkt haben? Von solchen Menschen wird uns im Evangelium des Matthäus berichtet. Von Menschen, die völlig erstaunt sind, dass sie Jesus etwas Gutes getan haben. Und von Menschen, die überrascht fragen: „Wann sollen wir uns denn begegnet sein, Jesus?“
Diese Szene spielt sich bei einer Gerichtsverhandlung ab. Nicht bei irgendeiner und nicht irgendwo. Sondern bei der Verhandlung, die nach biblischem Zeugnis stattfindet, wenn Jesus Christus wiederkommen wird. Alle Menschen aus allen Völkern werden sich dann einfinden und sich im Blick auf ihr Verhältnis zu Jesus Christus verantworten müssen. Mit unserer menschlichen Vorstellungskraft können wir uns das nicht ausmalen. Aber darum geht es in diesen Bibelworten auch nicht.
Heute schon Jesus begegnet?
Es geht um die Frage, wie wir uns Menschen gegenüber verhalten, die in Not sind. Besonders Christen gegenüber. Dabei wäre es völlig falsch zu denken, dass wir uns durch Nächstenliebe, diakonisches Handeln oder humanitäre Hilfe einen „Platz im Himmel“ erwerben könnten. „Niemand kommt zum Vater, als allein durch mich“, sagt Jesus selbst (Johannes 14,6). Aber dennoch macht Jesus deutlich, dass Nachfolge und christlicher Glaube sich immer auch darin auswirken, sich den Benachteiligten, den Bedürftigen, den Abgestempelten, den Heimatlosen und Notleidenden zuzuwenden. Noch mehr: „Diese Menschen in Not gehören zu meiner Familie. Alles, was ihr an Gutem für sie getan habt, das habt ihr damit auch für mich getan!“, so bringt es Jesus auf den Punkt (Vers 40, Übersetzung „das buch“).
„Gesegnete“ werden diese Menschen genannt, die sich ohne Hintergedanken den Not leidenden Menschen zugewandt haben. Nicht dadurch, dass sie Hunger und Krankheit in der Welt abgeschafft hätten. Nicht dadurch, dass sie die Armut besiegt, das Böse ausgerottet oder die Ursachen für Krieg und Flüchtlingselend gebändigt hätten. Sondern durch schlichte und direkte Zuwendung: zu essen gegeben, zu trinken gegeben, aufgenommen, versorgt, besucht. Sicher ist es wichtig, dass Christen sich für globale Gerechtigkeit und für die Beseitigung extremer Armut auf dieser Welt einsetzen, wie das zum Beispiel die „Micha-Initiative“ (www.micha-initiative.de) tut. Aber das ersetzt nicht, den einzelnen Menschen zu sehen, der Not leidet. Ihm zu begegnen und zu helfen. Auf spontane, direkte, unspektakuläre Art und Weise.
Denn Jesus geht es um den Menschen. Nicht um die Tat. Um die Zuwendung. Nicht um gute Werke. Um die innere Haltung. Nicht um äußere Formen.
Dabei fällt auf: Unterlassung von Hilfe und Wegsehen scheinen bei Jesus weit schwerer zu wiegen, als Unvollkommenheit oder mögliche Fehler. Wer aus Angst, aus Egoismus oder aus sonstigen Gründen den Blick von der Not anderer Menschen abwendet, wird von Jesus scharf verurteilt. Also doch Mitmenschlichkeit und gute Werke, um vor Gott bestehen zu können?
Wer Jesu Liebe erfährt, wird andere lieben
Nein. Jesus geht es um Beziehung. Wer in der Beziehung zu ihm lebt, wird Beziehung zu anderen leben können. Wer seine Liebe erfährt, wird andere lieben können. Wer von ihm Vergebung erlangt, wird anderen vergeben können. Aus dieser Beziehung heraus geschieht die Zuwendung zum Nächsten. Gerade der Mensch wird also gerecht gesprochen, der sich keiner guten Werke bewusst ist, die zu seinen Gunsten gewertet werden könnten. Sondern der sich aus Liebe für Menschen einsetzt, die Hilfe benötigen.
Und dann kann es ein, dass wir Christus begegnen, ohne dass wir es merken. Dass wir Jesus Gutes tun, ohne dass uns das bewusst ist.