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TV-Premiere: Micha denkt groß – Komödie um ein ausgedörrtes Dorf

Sehenswerte TV-Premiere an Allerheiligen: Überzeugende Improvisationskomödie über ein ausgedörrtes Dorf in Sachsen-Anhalt, in dem ein Rückkehrer den Einwohnern mit großen Plänen Arbeit und Wohlstand verspricht.

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

Wir befinden uns in Sachsen-Anhalt, doch es sieht aus wie in Nordafrika oder im Wilden Westen. Im fiktiven Dorf mit dem energiearmen Namen Klein-Schlappleben hat die Dürre den Grundwasserspiegel so stark abgesenkt, dass der ohnehin schon am Rand des Nervenzusammenbruchs stehende Bauer (Peter Kurth) das Wasser für seine Kühe teuer zukaufen muss und der Öko-Schafzüchter (Ulrich Brandhoff) bereits einen Teil seiner Herde verkaufen musste.

Das kostbare Nass für den täglichen Bedarf müssen die Dorfbewohner aus Tankfahrzeugen holen, die die dauerbeschwichtigende Bürgermeisterin (Annett Sawallisch) kommen lässt. Micha (Charly Hübner) hat Klein-Schlappleben einst zurückgelassen, um in der Großstadt Karriere zu machen, kehrt nach seinem Scheitern nun aber zurück, um aus dem Hotel seiner Eltern eine Wellnessoase zu machen. Klar, dass er sich angesichts des Wassermangels damit aber nicht viele Freunde macht. Die geplagten Einwohner zu Investitionen zu bewegen, erweist sich als nahezu unmöglich. Nur seine einstige Klassenkameradin Tina (Jördis Triebel) glaubt zunächst an ihn.

Lars Jessen und Jan Georg Schütte machen aus diesem Stoff eine vom improvisierten Schauspiel und der differenzierten Gestaltung der Charaktere lebende Komödie. Das zunehmend hoffnungs- und richtungslose Treiben der Einwohnerschaft verdichtet sich zum zeitgemäßen Dorfschwank über Zusammenhalt und Egoismus, Argwohn und Vertrauen.

Wir befinden uns in Sachsen-Anhalt, doch es sieht aus wie in Nordafrika oder im Wilden Westen. Im fiktiven Dorf mit dem energiearmen Namen Klein-Schlappleben herrschen Gelb- und Brauntöne vor, und das ist nicht mal politisch gemeint. Die Dürre hat den Grundwasserspiegel so stark abgesenkt, dass der ohnehin am Rand des Nervenzusammenbruchs stehende Bauer (Peter Kurth) das Wasser für seine Kühe teuer zukaufen muss und der Öko-Schafzüchter (Ulrich Brandhoff) bereits einen Teil seiner Herde verkaufen musste.

Im unscharfen Hintergrund kreuzen derweil entkräftete Seniorinnen mit Eimern die Dorfstraße. Sie holen sich wie alle anderen das kostbare Nass aus Tankfahrzeugen, die die dauerbeschwichtigende Bürgermeisterin im Angela-Merkel-Gedenk-Outfit (Annett Sawallisch) kommen lässt fürs Nötigste.

In einer Zeit, in der immer klarer wird, dass Schwankungen zwischen Dürre und Flut zur Klimaerwärmung gehören, könnte “Micha denkt groß” aktueller kaum sein. Sich auf Zusammenhänge und vor allem auf Zusammenhalt zu verstehen, diese Fähigkeiten sind allerdings brüchig geworden in Klein-Schlappleben. So wird der Film weniger zu einem didaktisch argumentierenden Mahnmal gegen den Klimawandel als zum Dorfschwank im besten Sinn: ein Deutschlandporträt in der Nussschale.

Groß-Denker Micha (Charly Hübner) trägt den verblichenen Ruhm seiner Zeit als Game-Designer in den 2000er-Jahren als verwaschenen T-Shirt-Aufdruck vor sich her. Er hat der Großstadt den breiten Rücken gekehrt und will seinem Heimatdorf “etwas zurückgeben”: Das verfallende ehemalige Hotel seiner verstorbenen Eltern soll in ein “Retreat” verwandelt werden – einen Erholungsort für meditierende Leistungsträger aus aller Welt.

Wie Friedrich Dürrenmatts “Alte Dame” kreuzt Micha im Dorf auf und verspricht Arbeit und Wohlstand. Dass Wassermangel schon jetzt ein Problem sein könnte, wischt er weg: “Wasser gibt’s genug auf der Welt” – man müsse nur tief genug bohren.

Regie und Drehbuch sind feinfühlig genug, um das Schwankhafte nicht als Freibrief für flache Figurenzeichnung misszuverstehen. Mit einer punktgenauen Mixtur aus Naivität, Großspurigkeit und Gutmütigkeit spielt Charly Hübner seinen zunehmend verzweifelten Micha inmitten eines immer desolater dastehenden Ortes. Weniger als Groß-Kapitalist denn als schwitzender Don Quixote bittet er die ohnehin Mittellosen um Investitionen, den depressiven Milchbauern genauso wie seine einstige Klassenkameradin Tina (Jördis Triebel). Die Masseurin knetet ihren Nachbarn verdrängte Trauer und Anspannung aus den Schultergürteln, glaubt als einzige in der zerstrittenen Dorfgemeinschaft an Michas Pläne und überreicht ihm ihre Ersparnisse. Es könnte doch wirklich alles gut werden, jedenfalls besser.

Ein ordentlicher Schwank braucht einen miesepetrigen Kontrahenten. Das ist einerseits das Dorf insgesamt, vor allem aber der selbsterklärte Anarchist, Prepper und Cordanzug tragende Deutschlehrer (gespielt von Regisseur Jan Georg Schütte): Auch der weiß, dass in Zeiten der Dürre Wasserbesitz Macht bedeutet.

Es ist schon eine Kunst für sich, wie Drehbuch, Regie und vor allem das improvisierte Spiel des Ensembles die Fallstricke des Thesenhaften meistens umschiffen. Statt Reizworte wie “Reichsbürger” zu nennen oder die Hintergründe etwa der hochproblematischen Milchwirtschaft oder der Grundwasser absaugenden Auto-Fabriken auszuleuchten, entscheidet sich “Micha denkt groß” für die kleinen Widerhaken und Brüche der Figuren und wird dadurch zum zeitgemäßen Volkstheater. Dabei bleibt immer Spielraum für überraschende Wendungen, die das erwartbare Klischee durchkreuzen.

Die Stegreif-Dialoge fransen dabei nie in unkonkretes Gelaber aus. Das Gespür für Timing und Redeweisen kontrastiert komisch mit der präzisen Bildgestaltung. Gut wird nichts, trotzdem gibt es eine Art Happy End. Schon deshalb, weil zumindest die Getränkefrage für einen verbindenden Moment geklärt ist: Es gibt kein Wasser? Trinken wir halt Bier.