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Trotz der eiskalten Wirklichkeit

Für Menschen in Not sollen Gemeinden in diesem Winter geheizte Räume anbieten. Das wird vielen angesichts der Energiepreise schwerfallen. Warum es trotzdem notwendig ist

Heizung aufdrehen. Kerzen, Kuchen und heißen Tee auf den Tisch. Und dann die Türen öffnen für die, die Wärme brauchen, gerade jetzt.

Was für ein schönes Bild von Kirche ist das, das die Evangelische Kirche in Deutschland und die Diakonie gemeinsam ausgemalt haben, als sie kürzlich zur Aktion „#wärmewinter“ aufriefen. Ja, so sollte Kirche sein – wenn da nicht die eiskalte Realität wäre: Gemeinden, die ihre Kirche schließen, um Energiekosten zu sparen; marode Gemeindehäuser, die eher verkauft als geheizt gehören; Pfarrerinnen und Pfarrer, die mit immer weniger Menschen für immer mehr Gebäude zuständig sind. Und jetzt noch andere wärmen – wie soll das gehen?

Aber genau das ist der Punkt: Ein warmer Ort für die Menschen möchte, ja, muss Kirche jetzt sein, wenn es ihr ernst ist mit der Nächstenliebe. Und ein offener Ort noch dazu, in den auch Menschen kommen mögen, die sonst mit Kirche nichts zu tun haben.

Was für ein Segen wäre eine Kaffeestube für alle, die auch bisher schon jeden Cent umdrehen mussten; was für eine Erleichterung ein Spieleangebot für Familien, die sich wegen der Energiekosten keinen Sportverein oder Schwimmbadbesuch mehr leisten können. Die Botschaft, die von so einer Kirche ausginge, hieße: Kommt her alle, die ihr mühselig und beladen seid; hier findet ihr Wärme, Zuwendung, Hilfe. Das hat eine andere Ausstrahlung als die Nachrichten über asketisches Heizen und Decken im Gottesdienst, die bisher durch die Presse gingen.

Natürlich darf man dabei nicht vergessen, dass diese Angebote eine Menge Geld und Arbeit kosten – selbst wenn der angekündigte Gaspreisdeckel die Preise nicht so exorbitant steigen lässt wie noch vor wenigen Wochen befürchtet. Mit dem Heizen ist es ja nicht getan. Es braucht Helferinnen und Helfer, die den Kaffee kochen, die Stühle stellen und sich um die kümmern, die kommen. Außerdem muss die Botschaft von den warmen Räumen erst einmal die Runde machen und bei denen ankommen, die sie brauchen; auch darum müssen die Mitarbeitenden sich kümmern.

Manche Gemeinde wird sich diese Form der Nächstenliebe schlicht nicht leisten können, weil sie selbst kaum über die Runden kommt oder weil Ehrenamtliche fehlen, die weitere Aufgaben übernehmen wollen. In manchen Orten ist ein solches Angebot wiederum vielleicht gar nicht nötig, weil niemand in der Umgebung es braucht.

An anderer Stelle wiederum wird eine Wärmekirche neue Mitarbeitende anziehen, die nach einem sinnvollen Ehrenamt suchen. Andere werden sich von dem Aufruf, die erhaltende Energiepauschale zu spenden, angesprochen fühlen – auch das ist ja nicht zu verachten. Ein gut durchdachtes Wärmekonzept schließlich kann auf lange Sicht sogar zum Energiesparen beitragen: Wenn in diesem Winter deutlich wird, dass nur zwei Räume im Gemeindehaus wirklich genutzt werden, hilft das möglicherweise beim Kleinerwerden.

„Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“, hat Dietrich Bonhoeffer formuliert. Ein Anspruch, dem sich die Aktion „#wärmewinter“ ganz konkret stellt.