Thomas Schreiners (Name geändert) Arbeitstage wurden im vergangenen Jahr immer länger. Bis spät abends kämpfte er mit Problemen einer neuen Software in seinem Betrieb, war völlig erledigt und restlos überarbeitet. Nachts fand er keinen Schlaf, an den Wochenenden war er ohne Antrieb, hing nur noch erschöpft vor dem Fernseher. Dann wurde es seiner Frau zu viel. Es kam zum Streit.
Astrid Jansen begegnet in ihren Workshops immer wieder Menschen mit ähnlichen Problemen. Die Psychologin leitet Seminare zum Thema Resilienz, also seelische Widerstandskraft. Die sei lernbar, sagt Jansen: „Alle Menschen haben das Potenzial dazu.“
Rund drei Millionen Deutsche erkrankt
Laut Bundesgesundheitssurvey leiden rund drei Millionen Menschen in Deutschland an einer Depression – die Tendenz ist steigend. Die Menge der verordneten Antidepressiva verdoppelte sich im vergangenen Jahrzehnt, stellte die Techniker Krankenkasse fest. Etwa jeder fünfzehnte Arbeitstag fällt in Deutschland durch eine Depression aus. Die Arbeitsverdichtung in den Firmen beschleunige diese Entwicklung, stellt der Psychiater und Buchautor Christian Firus fest, der als Oberarzt in einer Rehaklinik Menschen mit psychosomatischen Störungen behandelt.
Kein Wunder, dass auch Unternehmen beginnen, nach Lösungen zu suchen. Manche engagieren zum Beispiel Astrid Jansen, die für die BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH aus Bonn Workshops zum Thema Resilienz leitet. Sie gibt Anregungen, wie Mitarbeiter den Weg aus der Überlastung finden und sich vor Burn-out schützen können.
Viele Menschen erlebten sich als Opfer widriger Umstände, sagt Jansen. Hilfreich sei es, den Blick dafür zu öffnen, wie man auch in kleinem Rahmen Verbesserungen für sich selbst bewirken kann. Dabei könne es helfen, sich mit Kollegen auszutauschen oder sich gezielt Hilfe zur Lösung bestimmter Probleme zu suchen. Wenn man Einflussmöglichkeiten für sich entdecke, könne das neue Kräfte freisetzen und stärken, bestätigt Firus.
Wichtig sei es aber auch, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu akzeptieren, sagt Jansen. Das bedeute, sich auch bei hoher Arbeitsbelastung immer wieder Erholungspausen zu gönnen. Bei akuten Krisen helfe es, sich schwierige Situationen vor Augen zu führen, die man in seinem Leben bereits erfolgreich bewältigt hat. Typisch sei, dass viele Menschen ihre Erfolge gar nicht als solche betrachteten, betont Firus. Er lässt Patienten schon einmal aufschreiben, was ihnen im Leben bereits gelungen ist: „Das ist erstaunlich. Da sind wir oft mitten in einer Resilienzgeschichte.“
Was machen Menschen besser, die sich auch von Misserfolgen nicht unterkriegen lassen und ihre Ziele unerschüttert weiterverfolgen? Entscheidend sei es, sich Misserfolge zu verzeihen und mit sich selbst wie mit einem guten Freund umzugehen, sagt Jansen.
Zudem helfe auch die Fähigkeit, neue Perspektiven für sich selbst zu entwickeln. Allein die Vorstellung eines Wunschzustandes bewirke bereits Veränderungen im Gehirn, sagt Firus. Allerdings dürften die Erwartungen nicht zu hoch gesteckt sein. Oft sei es sinnvoll, sich erreichbare Etappenziele zu setzen.
Bedeutend für den Aufbau von Resilienz seien auch Beziehungen zu anderen Menschen, sagt Maike Rönnau-Böse vom Zentrum für Kinder- und Jugendforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg. „Das ist der wichtigste Faktor in jedem Lebensalter.“ Seit zehn Jahren gehen die Wissenschaftler des Zentrums der Frage nach, was Kinder, die unter widrigen Bedingungen aufwachsen, seelisch stärkt.
Was für Kinder gelte, treffe auch auf Erwachsene weitgehend zu, berichtet Rönnau-Böse. Wichtig für die seelische Widerstandskraft seien enge soziale Kontakte. Erwachsene brauchten nicht zwingend einen Partner, um Halt zu finden. Enge Beziehungen zu anderen Menschen könnten bis ins hohe Alter gepflegt oder sogar aufgebaut werden, etwa durch die Mitarbeit in Vereinen oder durch Modelle des generationenübergreifenden Wohnens.
Thomas Schreiner hat erkannt, dass ihm ein Burn-out droht, wenn er weitermacht wie bisher. Doch er will nun gegensteuern und hat sich mit Kollegen zusammengetan. Gemeinsam wollen sie sich nun bei ihrem Chef dafür einsetzen, dass die Probleme mit der Software endlich behoben werden.
☐ Buchhinweis: Jörg Bade: Bevor der Tank leer ist. Burnout – ohne mich! Luther-Verlag, 178 Seiten, 14,95 Euro. UK Buch-Bestellservice: Telefon (05 21) 9 44 01 37; E-Mail: Bestellservice@luther-verlag.de.