Kirche als Ort der Verständigung und Hoffnungsstifterin in Zeiten der Radikalisierung. Das wünscht sich der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD).
Was verbindet uns miteinander? Wie können wir friedlich und produktiv leben? Auf diese Fragen solle Kirche Antworten bieten. “Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität, Menschenwürde, Toleranz: Hier muss die Kirche einen Beitrag leisten, wie diese Punkte zu verstehen sind”, forderte der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) am Donnerstagabend in Frankfurt.
Thierse sagte, dass es ein gutes Zeichen sei, dass so viele Menschen gegen den Rechtsruck demonstrierten und die schweigende Mehrheit laut werde. “Die Demokratie ist nicht in Gefahr, aber es gibt eine Reihe von Gefährdungen, da hilft Schönreden nicht”, erklärte er. Kriege, Flüchtlingsbewegungen, digitale Transformation, Pluralismus und die Verhinderung der ökologischen Katastrophe seien überfordernde Veränderungen.
“Das Bedürfnis nach Sicherheit und einfachen Antworten ist verständlich. Es ist Aufgabe der Kirche, Hoffnung und Maßstäbe guten und gelingenden Lebens zu vermitteln, die nichts mit materiellen Erfolgen zu tun hat”, forderte Thierse. Er betrachte die Kirche als Raum der Verständigung zwischen unterschiedlichen Menschen. “In Gemeinden sind wir gleich als Menschen. Die Kirche muss Menschen da ansprechen, wo sie im Innersten verwandt sind. Man muss den Kern ihrer Würde finden.”
Thierse betonte: “Ich bin nicht in der Kirche wegen ihres Personals.” “Wir können miteinander streiten, aber wir bleiben in derselben Kirche. Ich reite nicht vom Hof, nur weil mir die Menschen nicht passen.”
Für Thierse stehe fest, dass Kirche vor allem Gemeinschaft ist. “Man kann nicht allein Christ sein. Ohne Institutionen gibt es kein Christsein. Deshalb sagen wir nicht Vater Mein, sondern Vater Unser.”
Im Blick auf Kirchenreformen betonte Thierse, dass Veränderungen Zeit bräuchten. “Die Kirche ist ein Tanker, der sich nur schwer bewegt. Ich habe eine revolutionäre Geduld und Verständnis, dass es langsam vorangeht.” Hier sehe er Parallelen zur Politik, wo Prozesse ebenfalls lange dauerten und es schmerzhafte Niederlagen gebe.
Thierse sprach bei einer Veranstaltung zum 175-Jahr-Jubiläum der Frankfurter Paulskirche. Er war Gast des Gesprächsabends “Kirche in der Demokratie – Demokratie in der Kirche?” im Bildungszentrum Haus am Dom.