Der katholische Theologe Jochen Sautermeister fordert, die von der Bundesregierung geplante Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs dürfe nicht den Lebensschutz des ungeborenen Kindes gefährden. Eine Regulierung in einem Reproduktionsmedizin-Gesetz könnte dazu führen, dass “das gesellschaftliche Bewusstsein für ein Recht des Ungeborenen auf Leben weiter schwindet”, kritisiert der Theologe in der “Herder Korrespondenz” (November).
Schwangerschaftskonflikte beträfen immer die Eltern und das ungeborene Kind, betont der Theologe. Es sei ethisch nicht angemessen, die Regeln für eine Abtreibung allein als individuelle Anspruchsrechte der Schwangeren unter Verweis auf ihre Recht auf reproduktive Selbstbestimmung zu verankern. “Rechtliche oder moralische Lösungen greifen zu kurz, wenn sie die dem Schwangerschaftskonflikt innewohnenden Ambivalenzen vereindeutigen wollen. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau gegen den Lebensschutz des Ungeborenen auszuspielen, führt nicht weiter.”
Die Bundesregierung hatte im März eine Kommission von Fachleuten aus Medizin, Recht und Ethik damit beauftragt, eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts prüfen. Die Kommission forderte Kirchen und Verbände auf, Stellungnahmen abzugeben. Sie will ihre Ergebnisse im Frühjahr vorlegen.
Laut Paragraf 218 im Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch derzeit grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt jedoch straffrei, wenn er in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die Schwangere sich zuvor beraten lassen. Zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.
Sautermeister forderte, in der Beratung über neue Regeln sowohl für das Selbstbestimmungsrecht der Frau als auch für das ungeborene Kind einzutreten. Weil Abbrüche moralisch nie unproblematisch seien, gelte es, die verpflichtende Beratung der Schwangeren beizubehalten. Beratung stelle keineswegs das Selbstbestimmungsrecht der Frauen infrage, sondern ermögliche vielmehr einen Raum, um zu einer verantwortlichen und gewissenhaften Entscheidung zu kommen. Er plädierte dafür, den “bewährten Kompromiss” der aktuellen Gesetzeslage nicht grundsätzlich anzutasten.