Der Queer-Pastor der hannoverschen Landeskirche, Theodor Adam, warnt vor möglichen Folgen eines politischen Rechtsrucks für homosexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen. „Ich habe Sorge, dass Toleranz und gesellschaftliche Vielfalt auf der Strecke bleiben und längst überwunden geglaubte Ressentiments gegen die LGBTIQ+-Community wieder laut werden könnten“, sagte der Theologe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Adam verwies auf eine zuletzt stark gestiegene Zahl an queerfeindlichen Gewalttaten. Mehr als jeder zehnte Fall von Hasskriminalität habe nach Daten des Bundeskriminalamtes einen homophoben oder transfeindlichen Hintergrund. „Rechte Erzählungen vom ‘Genderwahn’ befördern nicht nur stereotype Geschlechterbilder, sondern auch wachsende Aggressivität gegen queere und andere Menschen, die von diesen Stereotypen abweichen“, unterstrich der Seelsorger und ergänzte: „Ich hoffe darauf, dass auch die künftige Bundesregierung sensibel auf die Sorgen der LGBTIQ+-Community hört und offensiv gegen Queerfeindlichkeit jeder Art vorgeht.“
Selbstbestimmungsgesetz seit November in Kraft
Mit Blick auf das zum November in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz forderte Adam, eine künftige Bundesregierung dürfe nicht dahinter zurückfallen. „Erst das Selbstbestimmungsgesetz hat Menschen, die sich in der binären Geschlechterordnung nicht wiederfinden, an Recht und Würde gleichgestellt. Dieser Status darf nicht geschmälert oder kassiert werden.“ Das Selbstbestimmungsgesetz erlaubt es trans- und intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen, ihren amtlichen Geschlechtseintrag künftig deutlich leichter zu ändern. „Gegenüber dem vorangegangenen, in Teilen diskriminierenden Transsexuellengesetz bedeutet das neue Gesetz für Betroffene, endlich ohne Anpassungs- und Rechtfertigungsdruck leben zu können“, betonte Adam.
Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von Ende Oktober zufolge befürwortet knapp die Hälfte der Bevölkerung die Reform. 47 Prozent heißen das Gesetz gut, 37 Prozent lehnen es dagegen ab. 16 Prozent machten keine Angaben. Queer-Seelsorger Adam räumte ein, ihm sei bewusst, dass es Menschen gebe, die nicht verstünden, „warum die Themen eines vergleichsweise kleinen Personenkreises derart prominent behandelt werden, obwohl doch scheinbar viel dringendere Probleme existieren“. Dem sei entgegenzuhalten, dass in einer Demokratie zwar nach Mehrheiten entschieden werde, „ihr Wert und ihre Humanität sich aber auch daran bemisst, wie viel Staat und Gesellschaft für die Gleichberechtigung und den Schutz von Minderheiten tun“.