In Frankreich sorgt das geplante Sterbehilfe-Gesetz für Diskussionen. Ein Tübinger Moraltheologe sieht die geplanten Änderungen kritisch. Er fordert, Missstände wie Altersarmut und Vereinsamung abzustellen.
Die geplante Gesetzesänderung zu aktiver Sterbehilfe in Frankreich bewertet der Tübinger Moraltheologe Franz-Josef Bormann kritisch. Zwar sehe sie vor, den Zugang zu Suizidassistenz künftig an das Bestehen einer unheilbaren Erkrankung des Betroffenen zu binden, sagte Bormann dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de (Mittwoch). “Der andere Aspekt besteht darin, dass künftig auch eine Fremdtötung für all jene vorgesehen ist, die aus bestimmten Gründen nicht mehr dazu in der Lage sind, den Schritt des Suizids eigenständig zu vollziehen.”
Das liberalisierende und restriktive Element stünden in einer gewissen Spannung gegenüber. Auch versuche Frankreich jetzt nicht nur die Suizidassistenz zu legalisieren, sondern es wurde gleichzeitig ein Gesetzesvorhaben zur Verbesserung der Palliativversorgung beschlossen, so der Moraltheologe.
Liberalere Sterbehilfe-Regelungen können laut Bormann zwar einen Freiheitsgewinn darstellen, weil eine bislang strafbewehrte Handlungsweise zugänglich gemacht wird. Er warnte jedoch: “Statistische Entwicklungen zeigen, dass entsprechende Gesetze zu einer kontinuierlichen Steigerung der Fallzahlen von assistiertem Suizid in den jeweiligen Ländern führen.”
Bormann forderte außerdem, wachsam zu sein: “Oftmals führen die prekären Lebensumstände der Betroffenen, ausgelöst etwa durch Vereinsamung oder Altersarmut zu einem größeren sozialen Druck, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.” Missstände könnten viel humaner gelöst werden. Die Gesellschaft sollte sich nicht an Suizid oder Sterbehilfe als “normale Formen der Lebensbeendigung gewöhnen”.
Dass die katholische Kirche Suizidassistenz und Tötung auf Verlangen ablehnt, beruht laut Bormann auf Vernunftargumenten und nicht auf einer religiösen Begründung. “Wenn man der Überzeugung ist, dass personales Leben aus sich heraus wertvoll ist, kann man nicht vernünftig vertreten, warum eine Person ihre Freiheit dazu nutzen darf, diese Freiheit durch ihren selbst herbeigeführten Tod endgültig auszulöschen”, so der Moraltheologe.
Die französische Nationalversammlung in Paris stimmte am Dienstagabend in erster Lesung mit 305 zu 199 Stimmen dem umstrittenen Gesetzentwurf zur Sterbehilfe zu. Einstimmig verabschiedet wurde ein zweiter Text zum Ausbau der Palliativpflege. Das Ganze geht jetzt in den Senat, der die Entwürfe aber auch wieder an die Nationalversammlung zurückgeben kann.
In Deutschland ist aktive Sterbehilfe verboten, Beihilfe zum Suizid aber erlaubt. Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 dürfen auch Sterbehilfevereine Suizidwilligen bei der Selbsttötung helfen. Bemühungen des Bundestages, einen rechtlichen Rahmen für freiverantwortliche Suizide mit Beratungspflichten und zeitlichen Fristen zu schaffen, sind bislang gescheitert.