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Terre des Femmes: Dunkelziffer bei Zwangsheiraten hoch

Der Frauenrechtsverein fordert bundesweit mehr Präventionsarbeit. Vor allem junge Mädchen und Frauen, deren Familien aus den arabischen Ländern, dem Balkan oder der Türkei stammten, seien von Zwangsheirat bedroht.

Wenn Schülerinnen nach den Sommerferien nicht in das Klassenzimmer zurückkehren, sind sie möglicherweise im Heimatland ihrer Eltern zwangsverheiratet worden. Der Frauenrechtsverein Terre des Femmes betont zur “Weißen Woche”, wie wichtig deshalb Präventionsarbeit an Schulen ist – besonders vor den Ferien. In der “Weißen Woche” klärt die Organisation gemeinsam mit der Polizei an Berliner Schulen über Zwangsheirat auf.

Allerdings sind Zwangsheiraten nicht nur ein Berliner, sondern ein bundesweites Problem. Nach den neuesten erhobenen Daten aus dem Jahr 2008 waren damals in Deutschland 3.443 Menschen von Zwangsheirat betroffen oder bedroht. “Wir erfahren durch unsere Präventionsarbeit, dass das Thema nach wie vor aktuell ist”, erklärte Myria Böhmecke, Referatsleiterin bei Terre des Femmes. “Außerdem gehen wir von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.”

Betroffene Mädchen und junge Frauen ahnten häufig schon, dass sie verheiratet werden sollen, reisten aber trotzdem mit, heißt es von der Organisation. Sie glaubten, vor Ort immer noch “Nein” sagen zu können. Leider sei das häufig ein Irrtum – und die Möglichkeiten, nach Deutschland zurückzureisen, seien sehr eingeschränkt. Nach Angaben von Böhmecke sind am häufigsten junge Frauen betroffen, deren Familien aus arabischen Ländern stammten, aber auch in Familien vom Balkan oder aus der Türkei würden Zwangsheiraten eine Rolle spielen.

“Die Schule ist oft der einzige Ort, den Betroffene besuchen dürfen, weil sie sonst sehr stark kontrolliert werden”, erklärte Böhmecke. Deswegen sei es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler sich dort im Vorfeld der Ferien jemandem anvertrauen könnten. Dafür müsste bundesweit die Schulsozialarbeit ausgebaut und Sozialarbeiter wie auch Lehrer und Schulleitungen für das Thema sensibilisiert werden. Außerdem fordert der Frauenrechtsverein, dass mehr Geld in die Präventionsarbeit gesteckt und mehr Daten zu Zwangsheiraten erhoben werden.

Die “Weiße Woche” findet den Angaben zufolge seit 2022 im Vorfeld der Sommerferien statt und hat jeweils mehr als 500 Schülerinnen und Schüler direkt erreicht.