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Tanzbar und mitreißend

In Afrika gehören Tanzen und Singen schon lange zum Sonntagsgottesdienst. Aber auch außerhalb der Kirche haben Sänger Erfolg, die ihren Glauben mit Musik kundtun – sie füllen Stadien

Martina Zimmermann

Guy Christ Israël wird bejubelt wie ein Rockstar, als er auf die Bühne des Festivals der Urbanen Musik von Anoumabo in Abidjan tritt. Jedes Jahr zieht das Festival in der Elfenbeinküste Tausende Zuschauer an, wird im Fernsehen übertragen. Das Publikum klatscht und singt mit dem Sänger, der seit zwölf Jahren mit seinen religiösen Chansons erfolgreich ist. Er tourt durch ganz Westafrika, Belgien und Frankreich. Der 37-Jährige ist einer der Pioniere eines Phänomens, das in ganz Afrika um sich greift: Christliche Musik wird zum Genre, das in Kirchen gespielt wird, aber auch auf populären Musikfestivals.
„Ich bin Christ, aber meine Musik wird auch von Muslimen gehört“, erklärt Guy Christ Israël, „ich bin katholisch, aber meine Musik mögen auch Protestanten.“ „Erwecke den Sieger in dir“ ist der Titel eines Songs, der die Botschaft unters Volk bringt, angesichts von Schwierigkeiten nicht aufzugeben: „Jesus fiel auf dem Kreuzweg drei Mal und stand jedes Mal wieder auf“, sagt der Künstler. Solche Botschaften kommen an bei einer afrikanischen Jugend, die auf eine bessere Zukunft hofft.
Der Erfolg christlicher Musik sei „ein afrikaweites Phänomen“, sagt Nago Seck, Betreiber von „afrisson.com“, einer Internetplattform über afrikanische Musik. Seck erklärt es mit „christlicher Inbrunst“: „Die Grenzen zur profanen Unterhaltungsmusik fallen dank der musikalischen Qualität und weil diese Musik tanzbar ist.“
Das „Afro-Gospel“ beginnt mit dem 1977 gegründeten kongolesischen Quartett Palata. 1987 vermischt die südafrikanische Band Ladysmith Black Mambazo Gospel und einheimische Isacathamiya-Rhythmen und erhält für diese Musik in den USA mehrere Grammy Awards. „Nigeria ist ebenfalls auf der internationalen Szene vertreten“, sagt Nago Seck. Rock, Folk, Rap und Jazz mischten sich in dieser urbanen christlichen Musik: „Ein regelrechtes Gesellschaftsphänomen, das in ganz Afrika Stadien füllt.“
Guy Arno Fulgence Gbê, wie der Sänger Guy Christ Israël mit bürgerlichem Namen heißt, ist in einer katholischen Familie im Zentrum der Elfenbeinküste aufgewachsen. 1999 kommt er aufs Gymnasium und tritt einer neucharismatischen Gebetsgruppe bei. Der Junge singt mit der Gruppe in der Kirche, aber noch will er Buchhalter werden, wie es ihm sein Vater geraten hat.
2006 bittet ihn ein Mitglied der Bruderschaft, ein paar Lieder für ihn aufzunehmen, damit er sie auch zu Hause anhören kann. Diese privaten Aufnahmen werden zuerst in der ganzen Region um Bouaké gehört, dann im ganzen Land und schließlich auch im Radio gespielt. Ein Jahr später nimmt Guy Christ Israël einen Sampler mit 24 Chansons auf, Titel „Adoration“ (Anbetung). Er singt seine sanften Melodien auf Französisch und in seiner Muttersprache Yacouba. 2008 wird er als „musikalische Entdeckung des Jahres“ ausgezeichnet, es folgen weitere Alben und ausverkaufte Konzerte in den größten Sälen im Land und im Kulturpalast von Abidjan.
In seiner Band sind Musiker, die auch Reggae oder Zouglou spielen, die vorherrschenden Musikstile der Elfenbeinküste. Seine Choristinnen sind Pfarrerstöchter. Die Melodien, die mit Reggae oder afrikanischen Rhythmen vermischt werden, gefallen auch vielen, die nicht in die Kirche, aber zu seinen Konzerten kommen.
Die Webzeitung „Buzzy Africa“ hat die besten zehn christlichen Sänger in der Elfenbeinküste gekürt – Guy Christ Israël ist der populärste, aber nicht der einzige christliche Sänger. Ein Drittel der Bevölkerung der Elfenbeinküste ist christlich, mehr als 40 Prozent sind muslimisch. Ein Blick nach Marokko oder Senegal zeigt, dass Musik bei den Muslimen schon lange zur Gottesanbetung gehört. So besingt etwa Youssou N Dour in Senegal die religiösen Führer der muslimischen Bruderschaften.
Sänger Guy Christ Israël predigt: „Jesus sagte: Glaube und du und deine Familie werden gerettet.“ Er arbeitet am fünften Album, träumt von einem Konzert im Stadion in Abidjan mit 45 000 Plätzen. Und davon, auf Festivals in Europa das Publikum mit seiner Musik zu bekehren.