Schon seit Wochen liegen sie in den Regalen: Schokohasen in goldener oder bunter Verpackung, Nougateier und Trüffelpralinen. Ostern ist Schokoladenzeit; zu keinem Fest essen die Deutschen so gerne und viel von der Süßigkeit, wie der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie erklärt. Rund 206 Millionen Schokohasen wurden 2014 hergestellt. Für 2015 schätzt der Verband, dass jeder Deutsche im Schnitt etwa neuneinhalb Kilo Schokolade verspeiste. Das entspricht über 90 Tafeln.
Aufwändiger Test: 4000 Produkte aus 70 Ländern
Über diese Menge kann sich Georg Bernardini nur wundern. „Bis auf wenige Ausnahmen ist das nicht gut, was sich im Supermarkt findet“, urteilt er. Der 48-Jährige ist gelernter Konditor, Confiseur – und Schokotester. Für sein Buch „Schokolade – Das Standardwerk“ hat der Deutsch-Italiener mehr als 4000 Produkte aus 70 Ländern getestet.
Die klassischen Schokoladensorten aus dem Supermarkt schnitten bei ihm schlecht ab: Künstliche Aromen werden eingesetzt, Vanillin statt echter Vanille beigefügt und normale Butter beigemischt. Der Schmelz wird weicher, der Bruch oder Knack der Schokolade verschwindet dadurch. „Erstaunlich, dass viele traditionelle Marken sogar schlechter abgeschnitten haben als Discounterschokolade“, so Bernardini.
Die Liebe für gutes Essen hat er von seinen Eltern, die Ende der 70er Jahre ein italienisches Restaurant in Rolandseck bei Bonn eröffneten. „Ich war immer in Kontakt mit Lebensmitteln und besonderen Zutaten“, erinnert er sich. Die Desserts waren Aufgabe der Mutter; auch Bernardini entwickelt eine Leidenschaft fürs Süße. Nach der Ausbildung arbeitete er bei Konditoreien, später als Patisseur in einem Sternerestaurant in Frankreich.
Mit einem Freund gründet er die Confiserie Coppeneur, hat aber mittlerweile seine Anteile verkauft. In Bonn-Oberkassel betreibt er nun gemeinsam mit seiner Partnerin Ramona ein kleineres Schokoladenfachgeschäft mit Café. Hier werden Kakaobohnen geröstet, gemahlen und mit Zucker und Kakaobutter angemischt. Hinter einer großen Glasscheibe können Gäste bei der Produktion zuschauen; es riecht leicht schokoladig, holzig, warm.
Die Auswahl in seinem Geschäft ist klassisch. Für sein Buch probierte er aber auch höchst Ungewöhnliches wie Schokolade mit Blauschimmel, fermentierten Sojabohnen oder getrockneten Pilzen. Auch Collagenschokolade aus Japan wurde ihm vorgelegt – „ein geleeartiges Gefühl auf der Zunge“, sagt er.
Dass die Qualität von Schokolade und Pralinen in Deutschland nach seiner Meinung eher mittelmäßig ist, liege auch am Konsumverhalten der sparsamen Deutschen, glaubt er. Die äßen ihre Naschereien nicht sofort auf – sondern verwahrten sie erst mal über Monate im Schrank. Die Folge: Die Pralinen müssten deutlich länger haltbar sein als für Franzosen, Amerikaner oder Japaner.
Und das gehe auf Kosten des Geschmacks, so Bernardini. Um die Pralinés haltbar zu machen, werde häufig viel Zucker und Alkohol verwendet. Hinzu komme der Preisdruck; teure Produkte verkauften sich schlechter. „Dadurch kann man keine guten Pralinen machen.“
„Die Nummer eins, was die Kunst der Verarbeitung der Kakaobohne angeht, sind die USA“, sagt Bernardini. „Da sind viele erst mal stumm, wenn ich das sage.“ In der Heimat von Fastfood gebe es immer mehr kleine Hersteller, die oft nur mit ein bis drei Mitarbeitern Schokoladen kreierten und dabei auf die eigene Verarbeitung der Bohne setzten.
Qualität: Es kommt vor allem auf die Bohne an
„Die USA sind dafür verantwortlich, dass Chocolatiers weltweit wieder an Ansehen gewonnen haben“, sagt er. Aber auch in osteuropäischen Ländern wie Litauen, Slowenien und Polen gibt es immer mehr hochwertige Schokoladenmanufakturen, die nicht nur vorgefertigte Schokoladen einschmelzen, sondern mit der Bohnenauswahl starten. „Es ist ein Kraftakt, in so einem kleinen Maßstab Schokolade herzustellen. Da ist viel Herzblut dabei.“
Bei der Schokolade kommt es vor allem auf die Qualität der Kakaobohne an. Wie wurden die Bohnen im Ursprungsland fermentiert, also kurz gegärt? Dabei werden die Kakaobohnen vom Fruchtfleisch getrennt und haltbar gemacht, das Aroma beginnt sich zu entwickeln. Wurde sie beim Verschiffen korrekt gelagert? Schon kleine Fehler können zu Schimmel führen. „75 Prozent der Qualität der Schokolade wird im Ursprungsland entschieden“, so der Experte.
Der neueste Trend seien Schokoladen, die nicht nur schmeckten, sondern auch gesundheitsförderlich sein sollten. So werben Hersteller mit „Rohkostschokolade“, die nur wenig verarbeitet sein soll, veganer Schokolade ohne Milchbestandteile oder „Superfoodschokolade“, die Zutaten wie Chiasamen oder Brokkoli enthält. Der Star der deutschen Schokoszene aber bleibe wohl der Nougat.