Die Wirtschaftsberichterstattung in ARD und ZDF ist einer Studie zufolge zwar umfangreich, aber „stark von der Bundespolitik getrieben“ und thematisch „lückenhaft“. Kontinuität und Kontextualisierung, also das Herstellen von Zusammenhängen, ließen zu wünschen übrig, heißt es in der am Dienstag in Frankfurt veröffentlichten Untersuchung der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung. Insgesamt widmen Nachrichtensendungen, Talkshows und Politikmagazine im öffentlich-rechtlichen Fernsehen demnach rund ein Fünftel ihrer Sendezeit wirtschaftspolitischen Themen.
Als „größtes Fragezeichen“ erschien den Verfassern der Studie mit dem Titel „Viel Kraft und wenig Biss“ der inhaltliche Mix der Wirtschaftsmagazine. Diese adressierten ihr Publikum überwiegend als Verbraucher, in rund 65 Prozent der Beiträge sei das der Fall, so der Dortmunder Journalistik-Professor Henrik Müller und der Journalist und Sozialwissenschaftler Gerret von Nordheim („Der Spiegel“). Andere Perspektiven blieben dagegen „unterbelichtet“, eine Konfrontation mit Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft finde nur selten statt.
Insgesamt gibt es der Studie zufolge „viel Wirtschaft“ im öffentlich-rechtlichen TV. Eine kontinuierliche wirtschaftspolitische Berichterstattung, die Entwicklungen auch dann verfolge, wenn ökonomische Ereignisse gerade keine Schlagzeilen produzierten, betreibe jedoch nur die Sendung „Wirtschaft vor acht“ (Das Erste), deren Gesamtsendezeit mit 20 Minuten pro Woche allerdings knapp bemessen sei.
Die Nachrichtenformate folgen laut Brenner-Stiftung in ihrer Wirtschaftsberichterstattung „in weiten Teilen der Agenda des politischen Berlin“. So seien etwa die Abfederung des Energiepreisschocks, später Bürgergeld und Sozialpolitik sowie die Diskussion über die ökonomische Abhängigkeit von China im Untersuchungszeitraum immer wieder thematisiert worden. Die Tarifpolitik tauche hingegen nur prominent in Sendungen auf, wenn gerade Streiks oder Tarifabschlüsse zu vermelden seien, und verschwinde dann rasch wieder aus dem Fokus.
„Unterbelichtet bleibt in der Berichterstattung vor allem die internationale Dimension der Wirtschaft“, kritisieren die Autoren weiter. Europäische, ausländische und makroökonomische Entwicklungen wie Konjunktur und Inflation würden allenfalls ereignisbezogen beachtet.
Die wirtschaftspolitische Berichterstattung von ARD und ZDF setze zu wenig eigene Akzente, resümieren die Autoren. Abhilfe könnte ein neues „Ständiges Wirtschaftspolitisches Format“ schaffen, das in die Wirtschaftsmagazine integriert werden könnte. Müller und Nordheim schnitten zwischen September 2022 und Februar vergangenen Jahres 5.778 Sendungen mit und analysierten rund 3.400 Stunden Programm.