Junge Menschen sind krisengeschüttelt und entsprechend in Sorge – aber auch optimistisch und politisch engagiert, sagt eine neue Studie. Verdrossenheit gibt es aber auch: Vor allem junge Männer fühlen sich abgehängt.
Krieg und Armut, zerstörte Umwelt und Feindseligkeit zwischen den Menschen: Vor diesen Dingen fürchten sich die deutschen Jugendlichen am allermeisten. Zu diesem Schluss kommt die 19. Shell Jugendstudie, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Rund 2.500 junge Menschen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren wurden dafür zu ihren Lebenswelten und Einstellungen befragt. Die Daten werden seit 1953 alle fünf Jahre erhoben.
Trotz dieser Zukunftsängste bleiben junge Menschen mehrheitlich (55 Prozent) zuversichtlich. 75 Prozent sind mit der Demokratie eher oder sogar sehr zufrieden. Auch sind sie laut Umfrage politisch deutlich engagierter als noch vor fünf Jahren: 51 Prozent informieren sich demnach aktiv über politisches Geschehen (2019: 36 Prozent). “Die Mädchen sind zum ersten Mal politisch genauso interessiert wie die Jungen”, betonte Studienleiter Mathias Albert von der Uni Bielefeld.
Das gestiegene politische Interesse der jungen Generation wundere sie bei all den Krisen, Kriegen und Herausforderungen nicht, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). “Politik spielt in den Alltag der Jugendlichen ja viel stärker rein als noch vor fünf Jahren.” Grundsätzlich bekämen in der Befragung auch die staatlichen Institutionen ein gutes Zeugnis von den Jugendlichen – allen voran genieße etwa die Polizei, aber auch das Bundesverfassungsgericht ein hohes Vertrauen, so die Ministerin.
Dennoch gibt es auch Verdrossenheit – und damit einhergehend ein höheres Interesse an rechten Positionen; ein Ergebnis, das nicht verwundert angesichts der jüngsten ostdeutschen Landtagswahlen, bei denen viele junge Leute die AfD wählten. Vor allem junge Männer mit niedrigem Bildungsniveau seien dafür empfänglich, sagte Studienleiter Albert.
Grundsätzlich ist die Jugend laut Studie zwar mehrheitlich tolerant (80 bis 95 Prozent gegenüber verschiedenen Minderheiten); zwölf Prozent der Befragten positionieren sich aber konträr zu allem, was pluralisierten Lebensstilen entspricht. Jugendliche mit eher niedriger Bildung, aber auch aus den neuen Bundesländern und auffallend viele junge Männer gehörten zu dieser Gruppe, so Albert.
So ist der vor allem der Anteil männlicher Jugendlicher, die sich als eher rechts bezeichnen, angestiegen. Jeder vierte ordnet sich als eher rechts oder rechts ein; 2019 war es weniger als jeder fünfte. Bei den weiblichen Jugendlichen bezeichnen sich elf Prozent als eher rechts oder rechts, mehr als 50 Prozent als eher links.
Junge Frauen kämen besser mit der vielfältigen und immer komplexeren Welt klar, erklärte Coautorin und Soziologin Gudrun Quenzel. Sie machten sich laut Statistik zwar sogar größere Sorgen um die Zukunft als junge Männer – hätten aber für sich einen Weg gefunden. “Sie gehen mit den Unterschiedlichkeiten produktiv um. Sie haben die progressiveren Werte und investieren mehr in ihre Bildung.” Junge Männer hätten dagegen das Gefühl: Da könnte ich verlieren.
Der Anker für viele Jugendlichen ist laut Studie die Familie: – Jeweils sehr deutlich über 90 Prozent nennen als wichtigste Lebensziele “Gute Freunde haben, die einen anerkennen und akzeptieren” oder “Ein gutes Familienleben führen”.
Der Wunsch nach partnerschaftlicher Aufteilung von Arbeit und Familienarbeit ist dabei zwar in den vergangenen fünf Jahren gestiegen; jedoch wünscht sich knapp die Hälfte der Jugendlichen (49 Prozent) nach wie vor eine eher traditionelle Aufteilung der Erwerbsarbeit mit dem Mann als Allein- oder Hauptversorger. 2019 waren es noch 56 Prozent. Im Westen favorisieren 52 Prozent ein männliches Versorgermodell (Allein- oder Hauptversorger), im Osten sind es nur 32 Prozent.
Trotz der hohen Zuversicht dominiert das Bedürfnis nach Sicherheit: Für 91 Prozent der Jugendlichen ist ein sicherer Arbeitsplatz wichtig. Für 83 Prozent steht auch der Wunsch nach hohem Einkommen (2019: 76 Prozent) und für 80 Prozent die Hoffnung auf gute Aufstiegsmöglichkeiten (74 Prozent) hoch im Kurs.