Angesichts fortgesetzter Angriffe auf die Demokratie hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum entschiedenen Einsatz für ein freies Gemeinwesen aufgerufen. „Man sagt es manchmal ja leicht, aber heute ist es mir wirklich ernst: Es kommt auf jede und jeden von uns an“, sagte Steinmeier vor den Gästen des traditionellen Schaffermahles im Bremer Rathaus. Alle müssten sich engagieren „und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen“, sagte er laut vorab veröffentlichtem Redemanuskript.
Krisen und Kriege überforderten viele Menschen, räumte Steinmeier ein. Es gebe Unmut, Zukunftsängste, Resignation und Frust. Trotzdem seien Veränderungen unausweichlich. „Also sollten wir diese Veränderungen vorausschauend und intelligent, freiwillig und mutig selber angehen – und sie so gestalten, dass diese Veränderungen möglichst vielen zugutekommen.“
Demokratie – eine “Sache des Herzens”
Das demokratische Gemeinwesen sei die einzige Möglichkeit, diese Herausforderungen menschlich, friedlich und frei zu bestehen. „Das dürfen wir uns nicht nehmen lassen.“ Freiheit, Demokratie und Recht hätten nur dann Bestand, wenn sie der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger „nicht nur Sache des Verstandes, sondern auch des Herzens sind, Sache der Leidenschaft und des entschiedenen Einsatzes: eine unbedingte Verpflichtung“.
Nötig sei eine streitbare Demokratie, die sich wehrhaft zeige, erklärte Steinmeier, der in diesem Zusammenhang den ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt zitierte: „Nichts kommt von selbst, und wenig ist von Dauer.“ Deshalb sei es gut, dass die breite demokratische Mitte erwacht sei – in großen und in kleinen Städten. „Diese Demonstrationen sind eine große und klare Absage an Extremismus. Und ich verstehe sie auch als eine Aufforderung an alle Parteien des demokratischen Spektrums, Signale der Zusammenarbeit zu setzen.“
Steinmeier: “Ideologie der Extremisten ist Gift”
Steinmeier warnte: „Nationalistische Abschottung, das Gerede vom Austritt aus der Europäischen Union, Hass auf Menschen mit Migrationsgeschichte – diese Ideologie der Extremisten ist Gift für unser Zusammenleben, für unsere Volkswirtschaft, Gift für Arbeit und Wohlstand.“
In seiner Rede vor den Gästen des 480. Schaffermahles stellte Steinmeier klar, es gehe nicht um eine Gesellschaft, in der der Konsens regiere oder alle einer Meinung seien. Es müsse heftige Debatten und Konflikte geben, Interessengegensätze müssten ausgetragen werden. „Aber wir brauchen den Kompromiss nach dem Streit, die Einigung nach der harten Auseinandersetzung.“