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Starker Tatort mit Wotan Wilke Möhring zu Missbrauch im Kloster

Der Tatort “Schweigen” arbeitet mit viel Bezug zur Realität den Todesfall eines beliebten Geistlichen im Kloster auf. Wobei sich schon rasch Abgründe auftun.

Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring,li.) und Eve Pötter (Lena Lauzemis) vernehmen den verdächtigen Daniel Weinert (Florian Lukas)
Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring,li.) und Eve Pötter (Lena Lauzemis) vernehmen den verdächtigen Daniel Weinert (Florian Lukas)NDR / Kai Schulz

Es geht los mit Flamme und Suff, und dann ist man mittendrin: Ein Junge muss mit ansehen, wie der eigene Vater verbrennt, weil ihm im betrunkenen Zustand eine Zigarette runtergefallen ist. Er kann ihm nicht helfen. Um Menschen, denen auch lange keine Hilfe zuteil wird und die ihr Leid und ihre Verletzungen mit sich herumtragen, geht es im neuen “Tatort: Schweigen”. Einer von ihnen ist Daniel (Florian Lukas), der Junge, der den Tod des Vaters nicht verhindern konnte. Die ARD zeigt den Tatort am Sonntag, 1. Dezember, um 20.15 Uhr.

Nun, wesentlich später, erholt er sich im Kloster St. Joseph von diversen Rückschlägen des Lebens, hilft bei der Apfelernte und mag keinen Schnaps. Im Kloster lernt er Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) kennen, der sich apfelerntend von einem Schicksalsschlag ganz anderer Art erholt. Der Hamburger Kommissar muss den Tod seiner Kollegin Julia Grosz verarbeiten – da scheint das Kloster mit seinen spirituellen Routinen gerade recht.

Tatort: Warum wird so lange geschwiegen?

Spätestens wenn beim gemeinsamen Essen nach dem Ernteeinsatz draußen im Klosterhof die Fußball-Jungenmannschaft “Kloster Sankt Joseph” mit ihren rotweißen Trikots einläuft, steht dann auch das eigentliche Thema des “Tatorts” so unübersehbar wie unausgesprochen im Raum. Es geht um sexuellen Missbrauch und die Frage, warum so lange so viel geschwiegen wird.

Pastor Otto (Hannes Hellmann) ist schon älter, aber mit Begeisterung Coach der jungen Kicker und zockt mit ihnen auch gerne online in einem Campingbus ebenfalls älteren Datums. An Falkes letztem Abend im Kloster brennt der Bus, nachdem am Nachmittag ein Mann im weißen Sportwagen lautstark mit Otto gestritten hatte. Der Geistliche, dem der Bus auch sonst als Refugium dient, hat keine Chance.

Vor dem Kloster trainiert die Fußball-Mannschaft
Vor dem Kloster trainiert die Fußball-MannschaftNDR / Kai Schulz

Am selben Abend feiert Daniel mit Falke. Für den Kommissar außer Dienst gibt es Schnaps, und Florian Lukas guckt in seiner Rolle so verzweifelt und verletzlich, dass es zutiefst anrührend ist. Doch diese emotionale Tonlage brechen Drehbuch (Stefan Dähnert) und Regie (Lars Kraume) gleich wieder, also starten Daniel und Falke im Treppenhaus eine absurde Ski-Abfahrt in voller Montur.

Am Morgen danach steht die von außen heile Klosterwelt wegen des abgebrannten Busses dann Kopf. Offiziell führt Eve Pötter (Lena Lauzemis) von der Landespolizei die Ermittlungen. Doch die fromm-katholische Kollegin geht dem Bundespolizisten Falke etwas zu behutsam mit Mutter Kirche um. Falke dagegen findet prompt im Büro des Verstorbenen einen mäßig versteckten Abgang in einen Keller, in dem sich neben Gebetsbank Altar und Peitsche auch ein voll analoges Archiv mit kinderpornografischem Inhalt findet – vom Schmalfilm über Dias bis zu Tonkassetten.

Ermittler Falke bekommt Verstärkung

“War doch wohl kein guter Mensch, der Pfarrer”, entfährt es Falke, während Pötter sich bekreuzigt. Und weil im “Tatort” völlig unnötigerweise heute fast immer ein noch direkter Bezug zwischen Tat und Ermittlern eingebaut wird, ist Pötters Sohn Lukas Stürmer in der Fußballmannschaft.

Falke sichtet sichtlich benommen das Material und fordert Verstärkung an. Die kommt in Gestalt der LKA-Beamtin Schwerdtfeger (Julia Jendrossek), die Falke auch seine Wiederindienststellung nebst Waffe mitbringt und trocken meint: “Ich mache seit zwei Jahren Pädokriminalität, ich probiere, rational zu sein.” Rational reagiert auch der Generalvikar (Sebastian Blomberg), der sich auf sein Schweigegelübde und seine Verantwortung gegenüber den Klosterbrüdern beruft und nicht einmal Ottos Personalakte ohne Beschluss herausrücken will.

Pädophiles Netzwerk kommt ans Licht

“Das ist bedauerlich”, sagt er nur, als Falke ihn mit dem Fund im Kloster konfrontiert: “Und wenn es stimmen sollte, ist es eine Katastrophe… Aber niemand ist frei von Sünde, auch Priester nicht.” Worauf Falke trocken kontert: “Aber in der katholischen Kirche können Sünden vergeben werden. Und wo es keine Sünde gibt, gibt es auch keine Opfer”.

Die es aber natürlich dennoch gibt. Daniel steht unter Mordverdacht, weil er auf einem der Fotos zu sehen ist und sein eigener Vater ähnlich ums Leben kam. Auf dem Foto ist aber noch ein Mann im Hintergrund zu sehen: “Das war der Schlimmste”, wird ein weiteres Missbrauchsopfer später sagen, als es um eine Messdienerfahrt von 1989 geht – und längst die Gewissheit im Raum steht, dass es hier nicht um einen Einzelfall, sondern um ein pädophiles Netzwerk geht, das Kinder quasi per Katalog anbot.

Tatort bricht Schweigen

Dieses Netzwerk gehört aber keinesfalls der Vergangenheit an, denn Pastor Otto hatte auch ganz aktuelle Bilder von Lukas auf dem Speicherchip seiner Kamera. Und plötzlich bekommen die großzügigen Spenden, die der beliebte Geistliche für Sportverein, Feuerwehr und anderes einwerben konnte, einen mehr als schalen Beigeschmack.

Es gehört zu den großen Stärken des Tatorts “Schweigen”, dass er genau dieses Schweigen bricht. Mit einigem Respekt vor der Kirche, aber auch mit Unverständnis und Wut. Etwa wenn Hinweise früh gegeben, aber bewusst ignoriert werden. Oder wenn eine Hierarchie die Institution zu schützen versucht und dafür ihre Schutzbefohlenen verrät.

Während Falke seine Wut am Ende herausschreit, steckt seine Kollegin Eve Pötter bis zuletzt im Dilemma zwischen Gehorsam, persönlicher Betroffenheit und Nicht-Glauben-Können oder –Wollen. Auch das eine starke Szene in einem insgesamt sehr gelungenen “Tatort”, der übrigens in einem echten Kloster gedreht wurde: in der Abtei Mariawald in der Eifel. Dort werden übrigens am dritten Adventssonntag, 15. Dezember, Requisiten vom Dreh verkauft, wobei der Erlös an Kinderschutzprojekte in der Region geht.

Die ARD zeigt den “Tatort: Schweigen” am Sonntag, 1. Dezember, um 20.15 Uhr.