Im Museumsquartier Osnabrück ist am Sonntag ein neues Bildungs- und Ausstellungshaus über die NS-Zeit mit dem Namen „Villa_“ eröffnet worden. Im Mittelpunkt der Dauerausstellung in einer früheren Industriellenvilla steht das Leben und Wirken des umstrittenen Osnabrücker Juristen Hans Georg Calmeyer (1903-1972). Der in Osnabrück geborene Rechtsanwalt habe während des Nationalsozialismus mehr als 3.000 Juden gerettet, sich aber dennoch am NS-Terror mitschuldig gemacht, hieß es. Der Jurist war von 1941 bis 1945 leitender Mitarbeiter der deutschen Besatzungsbehörde im niederländischen Den Haag.
Das Haus sollte ursprünglich den Namen „Calmeyer-Haus“ tragen. Wissenschaftler und Künstler sowie Hinterbliebene von Opfern lehnten diese Bezeichnung jedoch unter Hinweis auf Calmeyers „ambivalente“ Persönlichkeit ab und warnten vor einer geschichtsvergessenen Heldenverehrung. Der Jurist sei Teil des Nazi-Regimes gewesen und habe als Behördenleiter in den Niederlanden auch Juden in den Tod geschickt. Deshalb lässt die Stadt Osnabrück im neuen Namen „VillaForum Erinnerungskultur und Zeitgeschichte“.
Der Fall Calmeyer zwinge die Menschen von heute zu einer besonders differenzierten Betrachtung, sagte der Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung in Dresden, Thomas Lindenberger, bei der Eröffnungsfeier. „Aus der Perspektive der von ihm Geretteten war Calmeyer der Retter, unstreitig.“ Zugleich sei er jedoch ein „Rädchen im Getriebe“ des Nationalsozialismus gewesen und habe andere nicht gerettet.
Das im Jahr 1900 errichtete Gebäude wurde mit Unterstützung des Bundes in Höhe von 1,7 Millionen Euro saniert und umgebaut. Dort befand sich bis 1945 der Sitz der Osnabrücker NSDAP.