In Brüssel ist ein weiteres Treffen zum Streit zwischen Kosovo und Serbien zu Ende gegangen: ohne direktes Aufeinandertreffen und ohne Ergebnis. Stattdessen gibt es weitere Forderungen ohne Aussicht auf einen Kompromiss.
Er sei zu einem Gespräch mit dem kosovarischen Ministerpräsidenten bereit gewesen, beteuert Serbiens Präsident Aleksandar Vucic. Stattdessen empfingen der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der Sonderbeauftragte für den Belgrad-Pristina-Dialog, Miroslav Lajcak, die Streitgegner getrennt. Zuletzt war es im Zuge des EU-vermittelten Dialogs vor neun Monaten zu einem direkten Treffen gekommen. Das war, bevor serbische Extremisten im vergangenen September einen Anschlag auf die nordkosovarische Stadt Banjska verübten; bevor Kosovo in einem umstrittenen Vorstoß den serbischen Dinar im Norden durch den Euro ersetzte; und bevor serbische Grenzwächter hunderte Kosovaren an der Weiterreise hinderten. Die Zeichen stehen nach dem geplatzten Treffen erneut auf Konfrontation.
2008 hatte sich der Kosovo für unabhängig erklärt. Serbien und einige EU-Staaten betrachten diesen aber weiterhin als abtrünnige serbische Provinz. Im Nordkosovo wirft die serbische Minderheit den ethnisch-albanischen Regierenden regelmäßig Unterdrückung vor – und genießt dabei Rückendeckung aus Belgrad sowie der einflussreichen serbisch-orthodoxen Kirche. Im Juni betonte Kosovos Regierungschef Albin Kurti, man habe keinerlei Problem mit den Serben, wohl aber mit ihrer Führung. Diese habe sich weder von dem einstigen jugoslawischen Autokraten Slobodan Milosevic noch von ihrem Verbündeten Wladimir Putin losgesagt.
In Brüssel stellte Kurti nun eine Reihe von Forderungen. Zu einem Treffen mit Vucic sei er erst bereit, wenn Serbien den Drahtzieher des Terroranschlags von Banjska an Kosovos Justiz ausliefere. Nachdem sie einen kosovarischen Polizisten getötet hatten, konnten die Angreifer, inklusive Ex-Politiker Milan Radoicic, nach Serbien fliehen. Ohne Radoicics Auslieferung “wird es weder Normalisierung noch Frieden in der Region geben”, so Kurti. Zudem verlangt er, dass Vucic das Normalisierungsabkommen unterzeichnet, das die Vermittler den Gegnern vor fast eineinhalb Jahren abrangen. Bisher bleibt es ein Lippenbekenntnis. In den Augen der EU-Diplomaten ist es dennoch gültig.
Serbien, das in den vergangenen Monaten auch gegenüber Bosnien-Herzegowina und Montenegro zunehmend nationalistisch auftritt, ist in Zugzwang. Dasselbe gilt jedoch für den Kosovo. Denn die Enteignung von Serben-Gebieten und serbisch-orthodoxen Kirchen warf zuletzt ebenso ein schlechtes Bild auf Pristina wie dessen Europolitik: Nachdem Serbien Geldautomaten im Nordkosovo aufgestellt hatte, um die Bevölkerung mit Dinaren zu versorgen, kam es zu Polizeirazzien auf Banken.
Der größte Stolperstein auf dem Weg zu einer Normalisierung aber bleibt die Schaffung einer Serben-Verwaltungszone im Kosovo. Die Idee dieses “Verbandes der Gemeinden mit serbischer Mehrheit” existiert seit elf Jahren. Bisher hat die Regierung in Pristina deren Gründung aber immer wieder vertagt – zum Ärger des großen Nachbarn Serbien. In Belgrad sieht sich Präsident Vucic bestätigt: Kosovos ethnisch-albanischen Politikern gehe es darum, auch noch die letzten Serben aus dem Land zu vertreiben.
Engjellushe Morina, Politologin am European Council on Foreign Relations, sieht den Dialog in einer Sackgasse. “Die kosovo-serbische Gemeinschaft im Norden ist der Ansicht, dass sich ihre Situation nicht verbessert hat.” Während Serbiens Regierung weiter ihr “Anspruchsdenken” über den Nordkosovo pflege, habe auch Kosovo – einst Vorzeigeprojekt des Westens am Balkan – an Ansehen bei der EU eingebüßt.