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Sozial sein bringt Erfolg

Sport, Vorlesen, Museumsbesuch: Kinder nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in sozialer Hinsicht zu fördern, stärkt ihre Persönlichkeit und trägt zu mehr Chancengleichheit bei

Robert Kneschke - Fotolia

Statt „Wohlstand für alle“ gilt in Deutschland „Wohlstand für wenige“, kritisiert der Ökonom Marcel Fratzscher in seinem neuen Buch „Verteilungskampf“. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sagt, jeder Dritte besitze nichts oder habe sogar Schulden. Der Ökonom befeuert damit die Debatte über die Ungleichheit in Deutschland.

Das Wohlstandsgefälle der Bundesrepublik wird kontrovers diskutiert: Mehr finanzielle Umverteilung fordern die einen, während andere betonen, dass Ungleichheit auch ein Ansporn sein könne, sich anzustrengen. Gemeinsamer Nenner ist meist, dass mehr Bildung zu mehr wirtschaftlichem Erfolg führt.

Soziale Fähigkeiten entscheidend für Erfolg

Eine mehrjährige Studie für das Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit mit 700 Kindern und ihren Müttern rückt jetzt erstmals einen anderen Aspekt von Ungleichheit in den Vordergrund: die Persönlichkeit und sozialen Fähigkeiten von Menschen. „In der Forschung zur Ungleichheit wird dieser Aspekt meistens vergessen“, sagt der Bonner Wirtschaftsforscher Fabian Kosse. Dabei seien die sozialen Fähigkeiten von Menschen entscheidend für den beruflichen Erfolg und damit auch für den Lebensstandard.
„Wer mit anderen kooperieren und auf die Eigenschaften des Gegenübers eingehen kann, erzielt tendenziell mehr Einkommen“, sagt Kosse. Auch Vertrauen, Mitgefühl und die Bereitschaft zu teilen, wirkten positiv. „Sie wirken sich nicht immer auf den Kontostand aus, aber sie erhöhen die Fähigkeit, berufliche oder private Krisen zu meistern, weil unterstützende Kontakte vorhanden sind“, sagt der Ökonom. „Eine Gesellschaft mit sozial kompetenten Mitgliedern funktioniert generell besser – auch hinsichtlich des wirtschaftlichen Erfolgs.“
Damit haben soziale Fähigkeiten das Potenzial, gesellschaftliche Ungleichheit zu verändern, schreibt das Forscherteam des mehrfach für seine experimentelle Wirtschaftsforschung ausgezeichneten Bonner Professors Armin Falk in der neuen Studie. Denn: „Wir konnten zeigen, dass die frühe Förderung der Persönlichkeit langfristige Veränderungen bei Kindern bewirkt.“
Allerdings konnten die Wissenschaftler auch erstmals nachweisen, dass nicht nur materieller Wohlstand sehr ungleich verteilt ist, sondern auch die Sozialkompetenz: Wer in einem Haushalt im unteren Einkommensdrittel und mit niedrigen Bildungsabschlüssen lebt, hat im Schnitt deutlich weniger von diesen für Arbeitswelt und Zusammenleben günstigen Eigenschaften, zeigen die Skalenwerte der Forscher. „Das gilt für die Eltern und für die Kinder.“

Verhalten der Kinder in Experimenten studiert

Für die Studie wurden die zu Beginn siebenjährigen Kinder aus gut situierten und benachteiligten Haushalten nicht nur befragt, sondern es wurde auch ihr Verhalten in Experimenten studiert. Zum Beispiel beim „Diktator-Spiel“, in dem die Kinder entscheiden sollten, wie sie Spielzeug zwischen sich und unbekannten Kindern aus der Nachbarstadt oder an bedürftige Waisen aus Afrika aufteilen. Gespendet wurde anschließend tatsächlich. Ergebnis: Die Kinder aus armen Familien teilten deutlich weniger.
Darüber hinaus nahm ein Drittel der benachteiligten Kinder anschließend an dem Programm „Balu und du“ teil: Dabei trafen sie sich ein Jahr lang einmal wöchentlich mit einem Mentor, der mit ihnen zum Sport oder ins Museum fuhr, vorlas und sich viel mit ihnen unterhielt. Soziale und interaktive Beschäftigungen also, „die bei diesen Kindern oft zu kurz gekommen waren und die die Persönlichkeit stärken“, so Kosse.
Das Programm zeigte Wirkung: „Die Kinder mit Mentoren hatten durchgängig mehr soziale Fähigkeiten und haben zu den Kindern aus höheren Einkommensgruppen aufgeschlossen.“ Und zwar längerfristig: Bei der Messung zwei Jahre später blieben die Testergebnisse erhalten. „Auch die Wahrscheinlichkeit, aufs Gymnasium zu gehen, hatte sich mit Persönlichkeitstraining um etwa elf Prozentpunkte erhöht“, so Kosse.
Die Bonner planen jetzt weitere Studien zum Thema. Fest steht für Kosse aber schon jetzt: „Die frühe Förderung von Persönlichkeit hat großes Potenzial, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern.“