Die Vorstandsvorsitzende von SOS-Kinderdorf Deutschland, Sabina Schutter, beklagt den akuten Personalmangel in der Kinder- und Jugendhilfe. „Es gibt Jugendämter, die ihre Falleinschätzungen – also die Gefährdungseinschätzung, das staatliche Wächteramt – an Jugendhilfeträger abgeben wollen, weil sie es selbst nicht mehr schaffen“, sagte Schutter dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es würden also vorrangig „nur die ganz akuten Fälle behandelt“; alle, die rechtzeitig und präventiv Hilfe suchten, würden vertröstet. Anstatt belastete Familien zu unterstützen, würden Kindeswohlgefährdungen in Kauf genommen.
Laut Schutter steigt die Zahl der bekannten Kindeswohlgefährdungen aus verschiedenen Gründen. „Zum einen, und das ist gut, liegt das sicher an der verstärkten Aufmerksamkeit für das Thema“ und an schärferen Gesetzen, sagte die Pädagogik-Professorin. Zum anderen holten sich betroffene Familien heute von sich aus früher Hilfe – weil verschiedene Belastungslagen zugenommen hätten und zusammenkämen. Wenn etwa Armut und Arbeitslosigkeit zusammenkommen, könne dies dazu führen, dass Eltern sich einfach weniger um ihre Kinder kümmern könnten „und somit schneller Gefährdungslagen entstehen“, erläuterte Schutter.
Es brauche daher – wie fast überall im sozialen Bereich – mehr Personal. Mit höheren Gehältern allein aber werde man dieses Ziel nicht erreichen, glaubt Schutter. Die Bezahlung habe sich in den vergangenen Jahren schon stark verbessert: „Ich würde mal behaupten, niemand wird aus finanziellen Erwägungen Erzieherin oder Sozialpädagogin – denn reich wird man am Ende damit nicht.“ Viel wichtiger sei, die Ausbildung etwa an den Fachakademien für Padagogik grundsätzlich kostenlos zu machen, denn vielerorts werde noch Schulgeld fällig. Ebenso gelte es, den sinnstiftenden Aspekt einer Tätigkeit in der Jugendhilfe mehr zu betonen. (00/3426/20.10.2023)