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Sinnhaftigkeit selbst im größten Leid

Auch im Leiden und in Grenzsituationen Sinn und die Kraft zum Weiterleben zu finden – darauf baute Viktor Frankl die von ihm begründete Logotherapie auf. Der Wiener Arzt wusste, wovon er sprach. Vor 20 Jahren starb der Psychologe Viktor Frankl

akg-images / Imagno

„Wenn Leben überhaupt einen Sinn hat, dann muss auch Leiden einen Sinn haben.“ Diese Erkenntnis bestätigt sich für Viktor Frankl mitten in der Hölle von Auschwitz. „Trotzdem Ja zum Leben sagen“ wurde eine seiner Lebensdevisen. Für den Wiener Psychiater und Begründer der Logotherapie stand fest, dass menschliches Leben unter allen Umständen einen Sinn hat. Aus seinem Mund klingt das mehr als glaubwürdig: Der jüdische Mediziner überlebte vier Konzentrationslager. Vor 20 Jahren, am 2. September 1997, starb Frankl mit 92 Jahren.

Frankl überlebte vier Konzentrationslager

Schon in seiner Schulzeit pflegte Frankl persönliche Kontakte zu den Psychologen Sigmund Freud und Alfred Adler. 1923 machte er in Wien sein Abitur, studierte anschließend Medizin und promovierte 1930. Dem Leiden am Leben, Depressionen und Suizid galten sein Hauptinteresse. Frankl bemerkte die Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit vieler Menschen. „Im Gegensatz zum Tier sagt dem Menschen kein Instinkt, was er muss, und im Gegensatz zu früher sagt ihm keine Tradition mehr, was er soll – und nun scheint er nicht mehr recht zu wissen, was er will.“
Frankl sah die Sinnsuche als Hauptmotivation des Menschen: „Der Mensch ist nicht auf Glück, sondern auf Sinn angelegt.“ 1926 verwendete er erstmals den Begriff Logotherapie.
Als Oberarzt leitete er von 1933 bis 1937 den sogenannten Selbstmörderpavillon im psychiatrischen Krankenhaus in Wien, wo er 3000 suizidgefährdete Frauen betreute. Danach durfte er keine „arischen“ Patienten mehr behandeln und übernahm die Leitung eines Spitals für jüdische Patienten. Um ihr Leben zu retten, umging er mit gefälschten Gutachten die Euthanasie-Anordnung. 1942 heiratete er und wurde kurz darauf mit seiner Frau und seinen Eltern ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert.
Außer ihm überlebte niemand aus seiner Familie die Lagerzeit. Drei Jahre verbrachte Frankl in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern, wo sich seine Lehre unter grausamen Umständen bewähren konnte. In seinem eindrucksvollen Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ verarbeitet der Häftling mit der Nummer 119104 seine Erlebnisse. Selbst im größten Leid sieht Frankl noch eine Sinnhaftigkeit. Für ihn kommt es auf die innere Haltung an, mit der man existenziellen Krisen begegnet und diese als „innere Bewährungsprobe“ annimmt. So sei es möglich, „aus seinem bloßen Leidenszustand eine innere Leistung zu gestalten“. Gerade außergewöhnlich schwierige Lebensumstände böten die Gelegenheit, „über sich selbst hinauszuwachsen“.

Im Leid über sich selbst hinauswachsen

Nicht jeder in Auschwitz konnte oder wollte dem folgen. Frankl, der dort als ärztlicher Seelsorger arbeiten durfte, traf im KZ auf viele Menschen mit Selbstmordabsichten. Er versuchte, seinen Mithäftlingen eine Perspektive zu zeigen, „dass das Leben von ihnen etwas erwarte, dass etwas im Leben, in der Zukunft, auf sie warte“. Die große Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung vieler Gefangener sah Frankl als große Gefahr, nicht nur weil diese auch die körperliche Widerstandskraft schwächten.
Dabei sei es existenziell wichtig, ein Ziel für das Leben nach dem Lager zu haben, auf das man sich ausrichten könne. Für Frankl war es der Wille, seine von der Gestapo vernichtete Habilitationsschrift über die Logotherapie wieder zu rekonstruieren. Einer ihrer Ansätze ist angelehnt an Nietzsches Satz: „Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie“.Nach dem Krieg leitete Frankl von 1946 bis 1970 in Wien die Neurologische Poliklinik und begründete die österreichische Ärztegesellschaft für Psychotherapie.

Seine Bücher wurden in 22 Sprachen übersetzt

1955 wurde er Professor für Neurologie und Psychiatrie in seiner Heimatstadt, erhielt aber auch Gastprofessuren in Harvard, Cambridge und Stanford. Daneben schrieb Frankl rund 30 Bücher, die auch dank ihrer guten Verständlichkeit in 22 Sprachen übersetzt wurden. Von seinem populärsten Werk „Man‘s search for meaning“ wurden allein in den USA vier Millionen Exemplare verkauft. Frankl, der als einer der größten Fachleute auf seinem Gebiet gilt, erhielt 29 Ehrendoktorate. Seine Heimatstadt Wien tat sich lange schwer mit Frankl. Erst 1995 wurde ihm die Ehrenbürgerwürde zuteil.

Viktor Frankl hat etliche Bücher geschrieben. Hier eine kleine Auswahl seiner Werke: …trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. Kösel Verlag, 192 Seiten, 18,99 Euro. Dem Leben Antwort geben. Autobiographie. Beltz Verlag, 224 Seiten, 16,95 Euro. Psychotherapie für den Alltag. Kreuz Verlag, 192 Seiten, 14,99 Euro. Der unbewusste Gott. Psychotherapie und Religion. dtv, 112 Seiten, 7,90 Euro.