Carina H. macht sich fertig für die Arbeit. Sie schminkt sich und zieht die schwarzen Highheels an. Der Raum ist klein, das Licht gedimmt. Carina ist Sexarbeiterin. Heute hat sie sich im Kieler Eros Center ein Zimmer gemietet. Die Adventszeit gilt in der Erotikbranche als besonders umsatzstark. Carina arbeitet an Weihnachten aber nicht. „Ich bin selbst gläubig und verbringe die Feiertage mit meiner Familie. Das ist mir sehr wichtig“, sagt die junge Frau.
Für viele ihrer Kolleginnen und Kollegen ist das anders. Denn gerade an den Feiertagen suchen Menschen Nähe und Geborgenheit. Wer die nicht im familiären Umfeld findet, greife unter Umständen auf Dienste von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern zurück, berichtet Jemina Schwabenthal vom Berufsverband Sexarbeit. „Den Trend merkt man total, dass es an Weihnachten mehr Nachfrage nach Nähe gibt. Wenn die familiäre Beziehung, die man sich an Weihnachten vorstellt, nicht so klappt oder fehlt, dann versuchen sich das viele unserer Gäste wiederzuholen. Sie möchten einen schönen romantischen Abend, und sie möchten nicht allein sein.“
Weihnachten: Kunden mit höflichen Sex-Anfragen
Der Umgang mit den Dienstleistern sei an den Festtagen ein anderer, sagt die Verbandsvertreterin. Die Anfragen seien höflicher, die Kunden wünschten sich oft nicht nur Sex, sondern auch Romantik, zum Beispiel „ein schönes Glas Wein zusammen trinken“. Jemina Schwabenthal hat selbst in der Branche gearbeitet, heute ist sie beim Berufsverband in Hamburg aktiv. „Wir haben auch Mitglieder, die über die Feiertage nur digitalen Kontakt anbieten, zum Beispiel über Webcam. Dann bleibt mehr Zeit für die eigene Familie.“
Carina hat als Stripperin angefangen. 2016 begann sie als Escort zu arbeiten. Ihre Kunden trifft sie in unterschiedlichen Clubs und verschiedenen Städten. Meist in Norddeutschland oder Berlin, sie hat aber auch schon in der Schweiz gearbeitet. Die Freiheit, ihren Arbeitsalltag selbst zu gestalten, schätzt sie an ihrem Beruf. Dass ihr über die Feiertage guter Umsatz entgeht, nimmt Carina in Kauf: „Weihnachten ist das Fest der Liebe. Man versöhnt sich vielleicht wieder mit Menschen, mit denen man Streit hatte. Man besinnt sich auf das, was man hat. Dass wir nicht im Krieg sind, dass wir hier eine schöne Weihnachtszeit verbringen können.“