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Selenskyj will mehr Militärgeistliche engagieren

Im Abwehrkampf gegen die russischen Streitkräfte werden für das ukrainische Militär eigene Seelsorger immer wichtiger. Die Armeeführung lobt die Geistlichen, Präsident Selenskyj will sogar noch mehr davon.

Bei der Verteidigung der Ukraine gegen das russische Militär setzt Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj auch auf Militärseelsorger. Es sei sehr wichtig, dass mehr Geistliche von Kirchen und Religionsgemeinschaften “in den Militärdienst für die Ukraine eintreten und näher bei den Jungs an der Front sind”, sagte er am Samstagabend in einer Videoansprache. Vor allem in den Kampfbrigaden würden sie gebraucht.

“Ich danke jedem Militärgeistlichen, der auf diese Weise bei unseren ukrainischen Kriegern dient”, so Selenskyj. Anlass seiner Worten war der Tag des Militärgeistlichen, den die Ukraine am Samstag beging. In der ukrainischen Armee arbeiten nach offiziellen Angaben mehr als 300 Geistliche von 13 verschiedenen Religionsgemeinschaften. Fast alle sind Männer, es gibt aber auch drei Seelsorgerinnen.

Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Olexandr Syrskyj, rief in Sozialen Netzwerken Geistliche aller Konfessionen auf, sich den Verteidigungskräften anzuschließen. Die Seelsorger seien aus den ukrainischen Streitkräften heute nicht mehr wegzudenken: “Sie sind ein integraler Bestandteil unseres Kampfes für Freiheit und Unabhängigkeit.” Syrskyj bezeichnete die Geistlichen als “Soldaten an der spirituellen Front, die Glauben und Hoffnung personifizieren”. Zu ihren Aufgaben gehöre unter anderem auch, “den Glauben an unseren gemeinsamen Sieg” zu wecken. Der Oberbefehlshaber betonte zudem, die Ukraine verfüge in der interreligiösen Zusammenarbeit über eine einzigartige Erfahrung.

Nicht nur das ukrainische Militär sucht Pfarrer. Der russischen Armee mangelt es ebenfalls an Geistlichen. In einem Rundschreiben der russisch-orthodoxen Kirche hieß es im August, es fehlten 250 Geistliche. Der mit Kremlchef Wladimir Putin verbündete Moskauer Patriarch Kyrill I. unterstützt den Angriffskrieg gegen die Ukraine seit Beginn. Im September 2023 berichtete das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt, im Krieg seien bereits fünf orthodoxe Armeeseelsorger getötet worden. Seither informierte er nicht mehr über weitere Opfer.

Ähnlich wie der ukrainische Armeechef Syrskyjgratulierte auch der Kiewer Verteidigungsminister Rustem Umjerow den Militärgeistlichen zu ihrem Ehrentag. Die Seelsorger hülfen Soldaten, “inneren Frieden und den Glauben an den Sieg zu finden”, schrieb er auf Facebook. Sie trösteten diejenigen, die körperlich und seelisch verwundet seien.

Erst seit Ende 2021 garantiert und regelt ein ukrainisches Gesetz die Militärseelsorge in den ukrainischen Streitkräften und der Nationalgarde. In den vergangenen Monaten wurden Dutzende neue Armeeseelsorger ausgebildet und eingestellt. Nach den Schulungen für ihren Einsatz beim Militär werden den Geistlichen stets in der berühmten Kiewer Sophienkathedrale feierlich ihre Zertifikate überreicht.

Das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Metropolit Onufrij, erklärte am Samstag, Nähe zu den Soldaten sei der Kern der Militärseelsorge. Die Armeeangehörigen bräuchten spirituellen Beistand, der ihnen erlaube, inmitten der Schrecken des Krieges menschlich zu bleiben. Wenn die Soldaten an der Front beschossen würden, gehe es um Leben und Tod, so Onufrij. Deshalb sei die Arbeit der Seelsorger “unentbehrlich und sehr wichtig”.

Der Tag des Militärgeistlichen wird in der Ukraine am 12. Oktober begangen, weil dann die orthodoxe und die mit Rom verbundene griechisch-katholische Kirche den Gedenktag des heiligen Martin von Tours feiern. Sankt Martin ist auch Schutzpatron der Soldaten.

Das ukrainische Militär verteidigt das Land gegen die russischen Truppen, die im Februar 2022 eine Großinvasion in die Ukraine begannen. Moskau annektierte im Herbst 2022 vier ostukrainische Regionen. Zuletzt nahm die russische Armee mehrere ukrainische Städte und Dörfer ein. Das Leid unter Soldaten und ihren Angehörigen ist unermesslich groß.

Laut US-Schätzungen sollen in dem Krieg bereits 115.000 russische und 57.500 ukrainische Soldaten ums Leben gekommen sein, wie die “New York Times” am Donnerstag berichtete. Schon insgesamt 865.000 Soldaten wurden bisher demnach verwundet. Die Regierungen von Russland und der Ukraine machen selbst keine Angaben zur Zahl der Opfer in den Reihen ihrer Streitkräfte. Sie geben stattdessen damit an, welche Verluste sie der jeweils anderen Seite angeblich zugefügt haben.