Hamburg. Der Sekten-Experte der Nordkirche, Pastor Jörg Pegelow (55), ist besorgt über die Zunahme von fundamentalistischen Christen-Gemeinden in Norddeutschland. Dabei handele es sich um Gemeinschaften mit 100 bis 250 Mitgliedern, die jeglichen Kontakt mit anderen Kirchengemeinden ablehnten, sagte Pegelow. Die Bibel werde bei ihnen wortwörtlich als "vom Himmel gefallenes Wort Gottes" betrachtet, ohne wissenschaftliche Erkenntnisse mit zu berücksichtigen.
Pegelow selbst erfährt von solchen Gemeinschaften meist dann, wenn sich Aussteiger oder Familienangehörige von ihm beraten lassen. Mitglieder, die sich von ihrer Gemeinde trennen wollen, werden seiner Erfahrung nach von allen sozialen Kontakten abgeschnitten. Diese Trennungen gingen auch quer durch die Familien. Sichtbar werde der Konflikt vor allem, wenn über die Zugehörigkeit der Kinder und den Kontakt zum ausgeschlossenen Elternteil gestritten wird. Die Zahl solcher Gemeinschaften schätzt Pegelow grob auf ein bis zwei Dutzend. Zu finden seien sie in Hamburg und in den größeren Städten Schleswig-Holsteins.
Religiöse Landschaft zersplittert
In den vergangenen fünf Jahren sei die religiöse Landschaft zunehmend zersplittert. Pegelow: "Die Unübersichtlichkeit nimmt weiter zu." Auch die Zuwanderung habe dazu beigetragen. So gebe es zahlreiche fundamentalistische Gemeinden, die ihre Wurzeln in Osteuropa, Afrika oder Südamerika haben.
Insbesondere bei fundamentalistischen Charismatikern spiele das Heilungsgebet eine große Rolle, so Pegelow. Dem Gebet werde eine direkte medizinische Wirkung zugeschrieben. Setzt dann die gewünschte Heilung nicht ein, werde dem Kranken vorgehalten, er habe nicht intensiv genug gebetet. Auch die Entstehung der Welt werde allein auf das Handeln Gottes aus dem Nichts reduziert. Unter dem Stichwort "Intelligent Design" würden wissenschaftliche Erkenntnisse wie die Evolutionstheorie von Darwin geleugnet. Dies sei vor allem für Kinder in der Schule eine hohe psychische Belastung.
Zeugen Jehovas schotten sich ab
Pegelow legt jedoch Wert darauf, dass mit fundamentalistischen Christen nicht Freikirchen wie Baptisten, Mennoniten oder die Neuapostolische Kirche gemeint seien. Es gehe in dieser Frage nicht um unterschiedliche christliche Positionen. So vertrete die Evangelische Allianz zwar konservative Positionen, sei aber stark an einem ökumenischen Austausch und Miteinander interessiert. Anders sei es dagegen bei den Zeugen Jehovas, die andere Religionsgemeinschaften "verteufeln" und eine Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben ablehnen. (epd)