Vor 40 Jahren schaffte der Sozialist Bettino Craxi, was zwölf christdemokratische und katholische Ministerpräsidenten vor ihm vergebens versucht hatten: Ein Konkordat zwischen der Republik Italien und dem Vatikan.
In einem nüchternen Zeremoniell in der römischen Villa Madama setzten Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli und Italiens Ministerpräsident Bettino Craxi am 18. Februar 1984 ihre Unterschriften unter den neuen Konkordats-Vertrag. Der vatikanische Spitzendiplomat mit Römerkragen und der Sozialisten-Premier mit der roten Krawatte schrieben Geschichte.
Sie passten das 1929 noch von Mussolini unterzeichnete Lateran-Konkordat den Verhältnissen im demokratischen Italien und dem neuen Selbstverständnis der nachkonziliaren Kirche an. Damit stellten sie die Staat-Kirche-Beziehungen im Land mit der größten Katholikenzahl in Europa auf eine neue Grundlage.
“Der Staat und die katholische Kirche sind jeweils in ihrer eigenen Ordnung unabhängig und souverän. Beide sind der gegenseitigen Zusammenarbeit zur Förderung des Menschen und des Gemeinwohls verpflichtet”, brachte Casaroli den Geist der Übereinkunft auf den Punkt. Religion und Kirche sind “gesellschaftliche Realität in einer pluralistischen Gesellschaft”.
Für die Kirche bedeutete das eine neue Eigenständigkeit mit Rechten und Pflichten – und mit Erleichterungen: Sie war nun nicht mehr von staatlichen Genehmigungen abhängig, etwa in Personalfragen. Die Kirchenleitung ernennt die Bischöfe seither frei, ohne den Staat fragen zu müssen. Und für die Oberhirten entfiel der Treueeid auf den Staat.
Anstelle der 45 Artikel von 1929 umfasste das neue Konkordat gerade mal 14. Manche Vorgaben hatten sich ganz einfach erübrigt, wie etwa das vorgeschriebene Gottesdienst-Gebet für den König.
Einschneidender waren die Folgen des Konzils, etwa die Öffnung zur Religionsfreiheit oder in den Beziehungen der Kirche zum Staat. Artikel 1 der Lateran-Verträge war damit überholt, wonach “die katholische, apostolische und römische Religion die einzige Staatsreligion” ist. Sehr bald schloss Italien auch Abkommen mit den Waldensern und anderen Gemeinschaften.
Obsolet war auch der vom Lateran-Konkordat “im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit” festgestellte “heilige Charakter” der Ewigen Stadt Rom – als Bischofssitz des Papstes und Zentrum der katholischen Welt. Nun hieß es lapidar, Italien anerkenne “die besondere Bedeutung, die Rom als Bischofssitz des Papstes für die Katholiken hat”.
Der Vertrag von 1984 hat dennoch wesentliche Teile der Lateran-Verträge beibehalten. Diese hatten 1929 die Feindschaft zwischen dem Heiligen Stuhl und dem italienischen Einheitsstaat beendet, der 1870 den Kirchenstaat besetzt hatte. Mit den Lateran-Verträgen war der souveräne Vatikanstaat geschaffen und der Papst für den Verlust des Kirchenstaates entschädigt worden. Im Gegenzug erkannte der Papst das Königreich Italien mit der Hauptstadt Rom an und erklärte den Gebietskonflikt für beigelegt.
Neu organisiert wurde 1984 der Religionsunterricht. War er zuvor Pflichtfach, ist die Teilnahme nun freigestellt. Im Grundsatz beibehalten wurde das Übereinkommen zum Eherecht, wonach – anders als in Deutschland – kirchliche Eheschließungen zivilrechtlich gültig sind. Eingeführt wurde weiter eine Art “Kirchensteuer”: Die auch für Nichtmitglieder der Kirche verpflichtende Abgabe von 0,8 Prozent der Steuer kann wahlweise der Kirche oder anderen gemeinnützigen Zwecken gewidmet werden.
Das Echo auf die Konkordatsrevision war anfangs geteilt. Die einen sahen darin den glorreichen Abschluss der im Risorgimento von 1870 eingeleiteten säkularen Staatsgründung, wie Craxi bei der Unterzeichnung betonte. Andere werteten sie als “Instrument der Harmonie”.
Benedikt XVI. lobte später die “gesunde Laizität”, mit der die Revision zur Zusammenarbeit in der pluralistischen Gesellschaft beigetragen und die religiöse Freiheit gewährleistet habe. Auch Franziskus sprach von einer “positiven Laizität”. Man teile Grundwerte bei Themen wie Menschenwürde, Familie, Solidarität und Frieden und arbeite zum Wohl des Landes zusammen.
Zwar sind nicht alle Staat-Kirche-Konflikte in Italien beigelegt, dennoch loben beide Seiten heute die gute Zusammenarbeit – die sich inzwischen sogar bei Strafprozessen zeigt. Seine Amtsausübung wäre nicht möglich “ohne die großzügige Verfügbarkeit und Zusammenarbeit des italienischen Staates”, sagte Franziskus bald nach Amtsantritt. Umgekehrt finde Italien in der Kirche stets den “besten Verbündeten” zur Förderung der Gesellschaft.
Auf diese Zusammenarbeit sind Vatikan und Italien auch mit Blick auf das nächste gemeinsame Großprojekt angewiesen: Wenn zum Heiligen Jahr 2025 35 Millionen Pilger in die Ewige – aber nicht mehr Heilige – Stadt Rom kommen sollen.