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Sein Pfarrhaus ist ein Wohnwagen und seine Kirche ein Zelt

Elf Jahre lang war Martin Weber als Gemeindepfarrer in Kirchberg an der Murr (Rems-Murr-Kreis). Dort wohnt er mit seiner Familie noch immer, doch seit April 2023 ist ein Wohnwagen sein Pfarrhaus und ein Zelt seine Kirche. Als einzige Landeskirche bundesweit hat die Evangelische Landeskirche in Württemberg eine solche Zeltkirche, und Weber ist deren Pfarrer.

Seit 1953 gibt es das Angebot. Anfangs strömten die Massen, dann blieben sie weg, Mitte der 1990er Jahre drohte das Aus. Stattdessen kam ein Neustart mit neuem Konzept und neuem Zelt: Mit seinen acht Ecken erinnert es nicht an ein Bier-, sondern ein Zirkuszelt. Es gibt dort Sport, Konzerte, Kleinkunst, Kaffee mit Hefezopf und vieles mehr.

Als Gemeindepfarrer gehe es um eine langfristige Beziehungsarbeit, sagt Weber. Als Zeltkirchenpfarrer ist das nun seit acht Jahren anders: „Ich sage in persönlichen Gesprächen manchmal, ich bin in zwei Wochen weg, mir kannst du alles sagen.“ Zusammen mit seinem Zelt reist er jedes Jahr zwischen April und Oktober zu etwa drei Zeltfestivals, jeweils zwei Wochen lang, an Orte in ganz Württemberg.

Im nächsten Jahr geht es nach Untermünkheim (Kreis Schwäbisch Hall) und nach Stutensee bei Karlsruhe. „Für Baden brauchen wir immer eine Sondergenehmigung“, sagt Weber schmunzelnd. Für einen weiteren Standort sei 2025 noch Luft. Dafür steht Straubenhardt (Enzkreis) schon für 2026 fest.

Eine weitere Buchung für 2025 müsste schnell kommen, denn ein Zeltkirchenfestival braucht mindestens ein Jahr Vorbereitung und 100 bis 150 Mitarbeiter. Oft tun sich mehrere Kirchengemeinden als Veranstalter zusammen, inklusive Katholiken und Freikirchen. Auch die örtlichen Vereine werden einbezogen, außerdem Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste.

Während der Zeltfestivals lebt Weber im dienstlichen Wohnwagen direkt bei der Zeltkirche – genauso wie Zeltmeister Michael Möck, der für die Technik zuständig ist. Die beiden kannten sich schon vorher. „Mit dir möchte ich das Zelt machen“, hatte Möck seinem Freund vor dessen Bewerbung gesagt. Es war einer von mehreren „himmlischen Zeichen“, die Weber zur neuen Aufgabe brachten. „Du könntest im Zelt predigen“, bekam er einmal bei einer Hochzeit zu hören.

Gerne lädt er bisher „kirchenferne“ Zuhörer zum christlichen Glauben ein. Eine seiner wichtigsten Aufgaben in der Zeltkirche nennt er „absichtslos herumscharwenzeln“. Dann sprächen ihn oft Gäste und Mitarbeiter an, denen etwas auf der Seele drückt. „Ich habe im Zelt Gespräche, die habe ich in zehn Jahren als Gemeindepfarrer nicht gehabt, bis hin zu Menschen mit Suizidgefahr.“

Dass Weber ständig unterwegs ist, liegt nicht nur an der Zeltkirche. Als Zusatzaufgabe kümmert er sich um christliche Hausgesprächskreise, um Glaubenskurse und Männervesper. „Das war schon vorher mein Ding. Und ich predige fast jeden Sonntag woanders, wo man mich einlädt.“ Außerdem will Weber, der selbst Jäger ist, eine kirchliche Arbeit unter Jägern aufbauen. Er weiß, dass diese anders aussehen muss als die normale Gemeindearbeit: „Ein Jäger geht sonntags nicht in die Kirche, sondern in den Wald.“

Ohne Beerdigungen und andere Kasualien, und ohne Religionsunterricht hat Weber viel Freiheit für solche Spezialaufgaben. „Das ist eine Traumstelle“, sagt er. Er hofft, dass die württembergische Landeskirche die Zeltkirche, die gerade eine neue Außenhaut erhalten hat, trotz aller Sparzwänge dauerhaft weiterführt. Andere Landeskirchen haben ihre Zeltkirchen abgeschafft, es gibt aber mehrere freie christliche Werke als Zeltbetreiber.

Der Aufbau an einem neuen Ort dauert jeweils drei Tage, der Abbau je nach Wetter eineinhalb bis zwei Tage. Das Zelt kann nur trocken eingelagert werden, der Lagerplatz ist auf der Schwäbischen Alb. Ein großer Aufwand, doch beim Zeltfestival in Filderstadt-Harthausen im Juli kamen in zwei Wochen fast 12.000 Besucher. Gleichzeitig passen stehend etwa 1.000 Besucher ins Zelt, sitzend rund 600. Im Wohnwagen ist immerhin noch Platz für den Sohn: „Mein Kleiner freut sich, wenn er dort übernachten darf“, sagt der vierfache Papa.

Auf einer Landkarte hat Weber alle Zeltfestivalorte seit 2005 markiert. Trotz kunterbunter Streuung, von Heilbronn im Norden bis Albstadt im Süden, bleiben zwei weitgehend weiße Flecken: zum einen nördlich von Schwäbisch Hall, zum anderen in Oberschwaben. Dort ist Weber deshalb in Kürze unterwegs, um in weiteren Kirchengemeinden die Zeltkirche vorzustellen. (1934/27.08.2024)